|Crime| “Das Mädchenopfer”

Stell dir vor, du bist Bauarbeiter. Es ist ein Tag wie jeder andere auch. Die Sonne verbrennt dir unermüdlich den Nacken. Baustaub verstopft deine Poren. Das Atmen fällt dir schwer. Dann – kurz vor Feierabend – der letzte Akt, ein Durchbruch. Doch was du dahinter erblickst, wird sich für immer in dein Gedächtnis einbrennen. Denn wer findet schon gerne eine ausgedorte Leiche?

So oder so ähnlich mag es den Männern auf einer örtlichen Baustelle in Sighthill, einem Vorort von Edinburgh, aus “Das Mädchenopfer” ergangen sein. Ein Haus soll grundsaniert werden und so wurde es in die Hände von “McAllister Homes” gelegt. Bei den ersten Befragungen macht der Bauunternehmer jedoch bereits etwas seltsame Aussagen und gerät somit direkt in das Visier der Ermittlungen. Der Beamte – Detective Inspector Anthony McLean – kümmert sich unter anderem um diesen Fall und stellt rasch fest, dass es einige Paralellen zu recht brutalen Morden gibt, die derzeit in Edinburgh kursieren. Meist trifft es gutbetuchte Herren, bei denen das Innerste im wahrsten Sinne des Wortes nach Außen gekehrt wurde.

Doch keiner will ihm so recht glauben. Man macht sicher stattdessen über ihn und seine ausgetrocknete Leiche lustig. Vor allem die seltsamen Zeichen und absichtliche Ausrichtung der toten Frau will ihm keiner so recht abnehmen. Also macht er sich mehr oder weniger selbst auf die Suche und gerät tiefer in die Sache hinein, als so manchem lieb ist, was er deutlich zu spüren bekommt und das nicht nur aus dem eigenen Reihen der Polizei.

Der DI McLean macht einen recht ruhigen aber intelligenten Eindruck.

Er fühlt sich von Anfang an mit den Mordfällen verbunden und das liegt nicht nur daran, dass eines der ersten Opfer in dem Viertel gefunden wird, wo er aufgewachsen ist. Seine Granny kennt einige dieser Toten. Doch wie soll er die alte Dame befragen können, wenn sie halb im sterben liegt?
Als Leser schließt man den Ermittler schnell in sein Herz. Er hat etwas an sich, dass das Pech und die Leichen magisch anzieht und dennoch ist er liebenswert und macht keinen dauerdepressiven Eindruck, wie man es oft mit diesen Konstellationen in Büchern vorfindet. Er erleidet in dem Buch nicht nur einen Schicksalsschlag und dennoch steht er immer wieder auf, was ein dicker Pluspunkt ist.

Viel mehr möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht auf den Inhalt eingehen. Es tauchen viele Charaktere auf, die man sich gut einprägen sollte, denn fast jede taucht auf den späteren Seiten erneut auf. Sei es nun im Guten oder Bösen ist dahin gestellt. Einige wird man lieben, andere hassen, was einen durch die Darstellung ebendieser auch recht einfach gemacht wird. So bekommt jeder seine eignen Charakterzüge und allein dadurch kann man die Figuren schon recht gut auseinander halten. Man sollte sich auch nicht von den zahlreichen Dienstgraden abschrecken lassen. Dank der Anreden und Verhaltensweisen, lernt man schnell, wer Chef und wer Angestellter ist oder wer gern Chef sein möchte.

Von der Erzählweise her, ist man oft an der Seite von McLean unterwegs.

Ab und an gibt es jedoch einen kleinen Schlenker zu einzelnen Personen, zu der auch eine unbekannte Stimme gehört. Nach einigen Seiten ist auch klar, hier wird ein Blick in die Vergangenheit geworfen und so fängt es im Kopf an zu rattern und zu rauchen. Schließlich will man die Verbindung so schnell wir möglich – logisch – herausfinden können. Doch der Autor James Oswald macht einem hier einen Strich durch die Rechnung und lässt einen recht lange an der Leine zappeln.
Das erhöht den Spannungsbogen natürlich recht stark und so erwartet man eine gute Auflösung.

Die Dramatik selbst ist zwar die ganze Zeit konstant da. Je weiter man sich jedoch dem Ende nähert umso mehr wird klar: Die Lösung wird entweder total kurios oder es gibt ein offenes Ende. Was rauskommt, wird jetzt selbstverständlich nicht verraten. Nur so viel sei gesagt, es wird nicht jeden glücklich machen. Ich selbst war nicht zu 100% damit zufrieden. Wenn man sich dann anschaut, was der Autor vorher geschrieben hat, wird einem aber schnell klar, vorher diese “Neigung” kam.

Trotzdem können wir an dieser Stelle Stuart MacBride danken, dass er James Oswald zu dem Krimi/Thriller-Genre gebracht hat. Schließlich ist das Komplettwerk nicht zu verachten. Ein flüssiger Schreibstil, der mit spannenden Thriller-Elementen gespickt ist, den örtlichen Slang mit einbaut und somit sehr authentisch wirkt.
Der schottische Autor hat mit seinem Ermittler McLean einen gelungenen Serienauftakt in die Wege geleitet. Für die kommenden Bände wünsche ich mir allerdings noch mehr thrill-feeling und bessere Auflösungen. Reinschnuppern werde ich definitiv in Band 2. Dafür ist mir der Detective Inspector einfach zu sehr ans Herz gewachsen.


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Genre: Thriller / VÖ: Juli 2014 / Verlag: Goldmann* / Serie: Serienauftakt


 

2 Kommentare

  1. WortGestalt
    7. September 2014
    Antworten

    Da muss ich Dir recht geben, das Ende ist sicherlich nicht jedermanns Sache und ich hab nun nach all der Zeit auch noch nicht so richtig meinen Frieden damit gemacht. Zumal ich immer noch grübel, ob das wieder nur eine Interpretationsfrage ist oder ob das sein Ernst war! ;) Aber über diese "Neigung" erfahren wir vielleicht im nächsten Band mehr, ich bin gespannt, ob da ähnliches verbaut wird! Wegen mir muss das nicht sein! ;)

    • TheReal Kaisu
      7. September 2014
      Antworten

      Hier kann ich dir wirklich nicht sagen, ob es "Interpretationssache" war – glaube eher es liegt wirklich an seiner Neigung zu diesem anderen Genre.
      Ich hoffe daher, dass wir in dem kommenden Band aufgeklärt werden :P

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