|Thriller| “Kolibri”

Anna Fekete ist jung, hübsch, intelligent und tritt nun endlich ihre erste Festanstellung als Kriminalkommissarin in Finnland an. Diese Kombination mag für manche Arbeitnehmer perfekt sein. Doch für Anna sind diese Eigenschaften zunächst eher von Nachteil als von Vorteil.

Denn hinzu kommt noch, dass sie keine gebürtige Finnin ist, sondern aus Ungarn stammt. Ein Punkt, mit dem vor allem ihr neuer Partner Esko arge Probleme hat. Immer wieder lässt er sie spüren, dass sie in seinen Augen nichts Wert ist. Dieser Hass frisst sich so stark in sie hinein, dass sie kurz davor ist den Job wieder hinzuschmeißen. Aber da sind ja noch diese aktuellen Fälle, die alle beschäftigten. Vor allem der eine mit dem jungen Mädchen, geht Anna nahe und so beschließt sie sich durchzubeißen.

Der erste Fall, der das Kommissariat beschäftigt, handelt von einer Frau, die beim Joggen grausam ermordet wurde. Ein Schuss aus nächster Nähe, beendete ihr junges Leben vorzeitig. Rasch glaubt man den Täterkreis eingrenzen zu können, doch dann passiert ein weiterer Mord. Wieder auf dem Joggingpfad. Wieder ein Schuss aus nächster Nähe. Wieder ein seltsames Amulett, was keiner zuordnen kann. Doch seine Anwesenheit beweist: Die Fälle müssen in irgendeiner Form zusammenhängen. Nur wie? Glaubte man anfangs den Übeltäter gefasst zu haben, wird den Ermittlern nun bewusst, das Jagdsaison ist. Fast jeder Finne jagt in seiner Freizeit und hat entsprechend Gewehre zu Hause. Eine kniffelige Suche beginnt.

Der andere Fall hat bei weitem nicht die Wichtigkeit in der Bearbeitungsskala, wie die Mordfälle. Er wird sogar innerhalb kürzester Zeit zu den Akten gelegt. Doch Anna glaubt nicht, dass ein Teenager ohne Grund nachts verängstigt anruft und danach alles abstreitet. Da steckt eindeutig Einschüchterung dahinter. Keiner der Kollegen unterstützt sie jedoch mit dieser Vermutung und so beschließt sie auf eigene Faust Nachforschungen anzutreten. Ob ihre weiblichen Instinkte richtig oder falsch liegen, wird sie früh genug feststellen.

Zwei Fälle, ein neuer Mitarbeiter, das sorgt für eine Menge Gesprächstoff und somit auch für eine Menge Informationen für den Leser.

Man wird aber an keiner Stelle mit Fakten oder unnötigen Details überflutet. Eher im Gegenteil. Die Autorin lässt sich Zeit und verteilt alles über das gesamte Buch. So erfährt man natürlich nicht nur Einzelheiten von den Konflikten auf Arbeit, sondern auch von dem Umfeld und der Familie von Anna. Doch auch ihre Kollegen kommen nicht zu kurz. Deren Leben wird ebenfalls beleuchtet, sodass man die einzelnen Charakter automatisch besser kennenlernt und ins Herz schließen kann (oder auch nicht). Schnell begreift man, dass außer dem neuen Partner von Anna, kaum einer ein Problem mit ihr zu haben scheint. Eher im Gegenteil, man ist bemüht, sie herzlichst im Team aufzunehmen. Da ist wohl jemand leicht rassistisch angehaucht.

Thematisch betritt die Autorin entsprechend viele Bereiche. Sei es die Rassenfeindlichkeit, die befremdliche Religiosität anderer Kulturen oder schlichtweg der Neid und Hass unter den Mitmenschen. Diese Gebiete sind von der Grundstimmung her recht negativ angehaucht und dennoch wirkt das Buch nicht dauertraurig oder gar depressiv. Zwar gehen einem die einzelnen Probleme unter die Haut, trotzdem überwiegt die Spannung und Neugierde, so wie es sich für das Genre gehört. Hier spreche ich auch direkt einen Bereich an, den sich so mancher Leser sicher anders vorgestellt hat. Man hat keine andauernde Dramatik in dem Buch. Es gibt immer wieder Passagen, die dem den Wind aus den Segeln nehmen. Ich persönlich fand das nicht sonderlich störend, sondern recht angenehm. Schließlich ist das ein Serienauftakt und man lernt nebenbei noch die zahlreichen Figuren kennen. In den kommenden Bänden, darf die Autorin einen dann gern mit Dauerspannung überhäufen!

Am Aufbau kann man nicht meckern. Alles geht fließend in einander über.

Man hüpft von einem Verdächtigen zum Nächsten. Sammelt Indizien, Spuren, Fakten und betreibt intensive Nachforschungen. Da man bis auf das Amulett keinen direkten Hinweis zum Täter hat, geraten die Ermittlungen entsprechend oft ins stocken. Irgendwann kommt man dann doch zu einer Lösung, auf die selbst ich erst sehr spät gekommen bin. Das möchte ich dem Buch auch hoch anrechnen. Es schafft es, den Leser zusammen mit den Kommissaren an der Nase herumzuführen und erst kurz vor Schluss das entscheidende Detail zu präsentieren. Das Ende wird dann auch rasch dargelegt und vielleicht an 1-2 Stellen etwas zu dick aufgetragen, dennoch war es schlüssig und nachvollziehbar.

Alles in allem hat mir “Kolibri” überraschend gut gefallen. Ich würde es aber nicht in dem Genre Thriller einordnen, sondern eher im Krimi-Bereich. Dafür fehlten hier einfach die surprise-moments, die ich bei einem Thriller für sehr wichtig halte. Ich bin auf die Fortsetzungen gespannt, denn das Kati Hiekkapelto schreiben kann, dass hat sie eindeutig bewiesen.

sketch-kolibri


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Genre: Thriller / VÖ: September 2014 /  Verlag: Heyne* / Serie: Band 1 / Region: Finnland


4 Kommentare

  1. Lese Blick
    24. Januar 2015
    Antworten

    Tolle Rezi, aber mein Buch war das leider nicht so.
    Es war alles sehr hervorsehbar und es gab keine Spannungsmomente. In Hinsicht auf Krimi stimme ich dir zu. Den Schreibstil mochte ich, hier lag es einfach an der Story, dass es nicht meins war. Das Thema Rassenkonflikt fand ich klasse, aber man hätte mehr draus machen können.

    • TheReal Kaisu
      24. Januar 2015
      Antworten

      Ab einem gewissen Punkt fand ich es auch vorhersehbar – also wusste wer es ist – aber ich wusste nicht warum. Das Motiv war mir schleierhaft.
      Da es eine skandinavische Autorin ist, hab ich von vornherein auch mit einem ruhigen Buch gerechnet. Finde, dass die meisten Bücher von dort eine ruhige Grundstimmung haben – daher bin ich da auch sehr wählerisch :P

      Was meinste du mit mehr draus machen @Rassenkonflikt?
      Ich fand der Esko schon recht makaber … oder spielst du auf das Mädchen an?

    • Lese Blick
      24. Januar 2015
      Antworten

      Nein nein, mit mehr machen meinte ich, mit der Grundidee der Joggermorde und dem Motiv dahinter hätte man den Spannungsbogen besser gestalten können. In meiner Rezi habe ich damals glaub ich gemeint "Mord, Eklat zw. Anna und Esko, 2. Mord, Anna -Esko, usw… sehr eintönig halt.

      Zum Ruhigen von skandinavischen Büchern kann ich mir noch kein Urteil bilden, es war mein erstes. Die Autorin werde ich auf jeden Fall im Auge behalten, denn der Schreibstil und Erzählfluss war schon gut!

    • TheReal Kaisu
      25. Januar 2015
      Antworten

      aaaah, jetzt weiß ich was du meinst ;)

      Ich muss dazu sagen, dass ich skand. Bücher kenne und die grundtsätzlich etwas ruhiger sind (wie erwähnt) Entsprechend bin ich in der Hinsicht nicht mit hohen Erwartungen an das Buch rangegangen :P

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