|Krimi| “Todesblau”

Stell dir vor, du ziehst direkt nach der Schule aus deiner Heimat weg. Einige hundert Kilometer liegen nun zwischen dir und deinem Elternhaus. Anfangs suchen dich die Sehnsüchte heim. Du willst so oft wie möglich zurückfahren. Doch du hast nun ein neues zu Hause. Eine neue Familie. Neue Freunde. Neue Nachbarn. So vergehen langsam die Jahre. Du bist nun sesshaft geworden und plötzlich gibt es ein Ereignis, was dir klar macht, wie weit du eigentlich von deinen Eltern entfernt wohnst. Dass du nicht mal eben rasch “rübergehen” kannst um zu helfen. Dass du nicht eingreifen kannst, wenn etwas passiert. Also fast du einen Entschluss. Du musst zurück. Einen Job findet man überall und dein Partner wird es schon verstehen.
So ähnliche Gedanken durchfluten den Polizisten Sascha Woltmann, der nach einem aktuellen Fall beschließt von Berlin nach Weimar zurückzuziehen. Ob er sich damit einen Gefallen tut?

In Weimar nimmt er direkt wieder Kontakt zu seiner alten Schulfreundin Mandy Hoppe auf. Die zwei kennen sich noch aus DDR-Zeiten und haben früher viel Zeit miteinander verbracht. Während Sascha jedoch noch ein gewöhnlicher Streifenpolizist ist, hat sich Mandy hochgearbeitet und steht nun in der Hackordnung über ihrem alten Kameraden. Ein Umstand, der nicht immer für wohlige Gedanken sorgt. Schließlich möchte Sascha auch aufsteigen. Auch Kommissar werden. Der Weg ist jedoch steinig, was ihm nicht nur Mandy klar macht, sondern auch seine Umgebung. Trotzdem will er nicht aufgeben und so kommt ihm ein neuer brisanter Fall ganz gelegen. Hier kann er beweisen was er drauf hat und stürzt sich direkt ins Gemetzel. Ob dabei alles nach Dienstvorschrift läuft ist da erst einmal zweitrangig.

Als Location hat sich der Autor Felix Leibrock die Kulturstadt Weimar herausgesucht. Da ich als gebürtige Thüringerin mit dieser Stadt sehr vertraut bin, freute ich mich tierisch auf den Krimi. Es ist schließlich immer etwas anderes, wenn man die Handlungsorte kennt und direkt alles vor Augen hat. Sich quasi keine Bilder im Netz suchen muss, um sich alles vorstellen zu können. Der Einstieg ist Leibrock auch sehr gut gelungen. Man bekommt erklärt warum Sascha weggezogen ist, was er bisher gemacht hat und wie groß seine Freude ist, als er Mandy wiedertrifft. Seine Familie hingegen kommt nur wenig zu Wort. Im Gegensatz zu ihm, hat diese nämlich Probleme sich neu einzufinden. Seine Frau sucht dringend einen Job und seine Tochter kommt mit der neuen Schule überhaupt nicht zurecht. Leider wird dieser kleinen Nebenstrang sehr stiefmütterlich behandelt. Das finde ich etwas schade, da er zu dem Beamten dazugehört und ihm noch mehr Tiefe verliehen hätte.

Mit dem Polizisten Sascha Woltmann hatte ich nämlich ein großes Problem: Er jammert mir zu viel. Hätte ich nicht gewusst, dass er bereits Familie hat und etwas älter ist, hätte ich ihn auf Anfang Zwanzig geschätzt und das nur wegen seines Verhaltens. Seine Gedanken wirken manchmal recht naiv und unerfahren. Im Gegenpol hat er dann aber auch wieder prima Ansätze. Kommt auf spontane Ideen durch Unterhaltungen mit den Stadtbewohnern, was zeigt, dass er nicht so eingerostet ist. Dennoch wirkt er sehr blass im Vergleich zu Mandy. Die standhaft, entschlossen und selbstsicher herüberkommt. Als der Mordfall um eine alte Frau dann ins Rollen gerät und immer mehr Hintergründe zu ihrer wahren Ermordung ans Tageslicht kommen, arbeiten die beiden harmonisch zusammen.

Der Aufbau ist recht klassisch gehalten. So entpuppt sich ein scheinbar harmloser Mordfall als ein grausames Ereignis, welches seine Wurzeln im zweiten Weltkrieg hat. Plötzlich ist von einen berühmten Gemälde die Rede, doch keiner will es gesehen haben. Als Leser bekommt man hier die Chance durch Rückblicke mehr Hintergrundwissen anzusammeln und somit einen kleinen Vorteil gegenüber den Beamten zu haben. Wer schließlich hinter allem steckt ist lange ungewiss und geschickt vom Autor verschlüsselt. Doch irgendwann bekommt man es heraus und ist über die Gierigkeit eigentlich nur noch schockiert. Alles wird natürlich über zahlreiche Befragungen in die Gänge geleitet. Selbstverständlich darf der nervige klischeehafte Chef nicht fehlen, ebenso wenig wie der penetrante Konkurrent von Sascha. Beides Personen, die nur albern und übertrieben mit der Zeit wirkten.

Wie oben schon erwähnt, spielt sich alles in und um Weimar herum ab. Entsprechend erwartet man passende Beschreibungen der Umgebung. Die Erwähnung der traumhaften Innenstadt und den ruhigen Park mit dem Goethehaus. Der ländlichen malerischen Gegend. Dem kommt Leibrock auch brav nach. Jedoch übertreibt er es auch ein wenig. Ich muss nicht jedes Mal erwähnen, dass man einen “Thüringer” Radiosender hört,  dass man vom “Thüringer” Waldquell trinkt, dass der “Thüringer” Minister Interesse zeigt und so weiter. Das war mit ein fettes i-Tüpfelchen zu viel.
In einem Kommentar zu dem Buch habe ich gelesen, dass es sich wie eine “wunderbare Ergänzung zum Reiseführer” liest. Nein, es liest sich wie ein Reiseführer. Viel zu steif zeitweise. Wenn eine Handlung in Berlin spielt, wird auch nicht alle fünf Seiten erwähnt wie toll das “Berliner” Stadtwasser schmeckt und dass man einen “Berliner” Radiosender hört. Das hört eventuell etwas überspitzt an, mir ist es jedoch stark negativ aufgefallen.

Alles in allem war ich enttäuscht von dem Krimi. Der künstlerische Aspekt ist gut recherchiert. Auch als Nicht-Kunstkenner bekommt man ein gutes Gefühl für die bildlichen Komponenten. Die Idee hinter allem ist auch gut gewählt, so etwas liest man nicht alle Tage. Leider bin ich mit den Figuren überhaupt nicht warm geworden. So waren mir alle zu überzeichnet und die Sache mit der Stadt habe ich ja schon erwähnt. Was ich an dieser Stelle aber noch positiv erwähnen möchte, ist der Bäcker. Ja, es kommt ein Bäcker vor und der ist super! Er ist die einzige Person, die ich direkt ins Herz geschlossen habe und mit ihrem Charme wohl jeden in seinen Bann ziehen wird. Retten konnte aber auch er den Gesamteindruck nicht.

todesblau-sketch


Genre: Krimi / VÖ: April 2015 / Verlag: Droemer Knaur / Serie: Serienauftakt / Region: Deutschland/ Weimar

2 Kommentare

  1. Nenatie
    28. April 2015
    Antworten

    Hallo :)
    na toll, jetzt ist mein Kommentar veschwunden ._.
    Also nochmal: Tolle Rezi. Schade dass der Krimi nicht überzeugen konnte. Der Inhalt klang vielversprechend. Weimar würde ich gerne mal besuchen, aber nicht mit einem Kirmi der einem Reiseführer ähnelt!

    Liebe Grüße

    • TheReal Kaisu
      28. April 2015
      Antworten

      Ja, ich war auch enttäuscht, hatte mic so gefreut einen Regionalkrimi zu lesen :(
      Da gibt es sicher bessere Kriminalfälle aus Thüringen ;)

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