|Thriller| “Totenmaler”

“Diesmal lag es am Geruch.
Ein süßlicher undefinierbarer chemischer Geruch.” [S.5]


Es ist dieser erste Eindruck von dem neuen Tatort, der Ermittlerin Elli Sunee Rathke noch für eine Weile ins Grübeln bringen wird. Denn es ist nicht nur der Leichengeruch, der hier dominiert. Eine weitere Duftnote hat sich darunter gemischt, für die sie lange keine Erklärung haben wird.
Der jungen Frau vor ihr hilft das jedenfalls nicht mehr weiter. Sie ist tot und wirkt auf den ersten Blick, wie einen Drogensüchtige, die sich den goldenen Schuss gegeben hat. Leider Alltag in Oslo. Auch wenn die Regierung ihre Regeln regelmäßig verschärft. Wer kontrolliert das alles? Die Beamten haben jedenfalls keine Zeit dafür. Ebenso vor die meist automatisch damit verbundene Prostitution. Doch genau das scheint sich ein seltsamer Killer zu Nutze zu machen. Er schlüpft exakt in die Lücken hinein, wo er weiß, dass nicht zu sehr nachgeforscht wird. Wer sorgt sich schon um eine Drogensüchtige weniger, die außerdem noch angeschafft hat?

Elli Rathke macht das. Zu Recht. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen fallen ihr zu viele Ungereimtheiten ins Auge, die sie einfach nicht loslassen wollen. Also verbeißt sie sich in den Fall und will ihn schnellstmöglich aufklären. Denn kurz nach der ersten Leiche, taucht bereits das nächste Opfer auf. Wieder mit einer Spritze ihm Arm, wieder der komische strenge Geruch und wieder liegt sie seltsam drapiert da. Die Pose ist ebenfalls ein Punkt, der die junge Ermittlerin nicht los lässt. Kein Mensch stirbt so, wenn er sich zu Tode spritzt.

Bei ihrer Recherche stößt sie dann auf ein Detail, was sie verwirrt und wütend zugleich macht. Der Mörder missbraucht junge Frauen als Kunstobjekt. Als totes Kunstobjekt. Wie makaber ist das denn? Doch Elli muss irgendwann feststellen, dass sie sich im Kreis dreht. Kaum hat sie einen wichtigen Hinweis gefunden, läuft alles schief um weiter in die Tiefe zu gehen und somit bleibt nur noch eine Option offen: Es gibt einen Maulwurf im Revier, der nicht will, dass sie den Killer findet.

Fängt die Geschichte zunächst recht ruhig und unauffällig an, muss man rasch feststellen, dass es hier weitaus tiefer in die Materie geht, als gedacht. So jagt man nicht nur einen Killer, sondern setzt auch mit der Problematik Prostitution, Drogenkonsum und Menschenhandel auseinander. Es wird dabei aber nie der Erklärbär ausgepackt. Alles wird richtig konsumiert in dem Text verpackt und die Handlung mit eingeflochten.

Die Halb-Thailänderin Elli schließt man direkt in sein Herz. Sie verkörpert kein klassisches Frauenbild und weiß sich zu behaupten. Auch wenn sie Rückschläge einstecken muss – und das nicht zu knapp – rappelt sie sich jeden Mal wieder auf und versucht einen Neustart. An ihrer Seite arbeitet Nereng. Er ist einer der weniger, denen sie absolut vertraut und so kommt es in der Hinsicht kaum zu Reibereien. Nur der große Tatendrang von Elli sorgt gelegentlich für Krisenstimmung. Doch wer würde nicht gerne alle selbst in die Hand nehmen, wenn er das Gefühl hat keinem mehr trauen zu können?

Das Buch ist eng bedruckt und in zahlreiche Kapitel unterteilt. Dennoch verliert man nie den Überblick oder gar den roten Faden. Langweilig wird es auch an keiner Stelle. Wenn man glaubt sich ausruhen zu können, kommt das nächste Unglück hereingeflogen. In der Hinsicht hat mich Eystein Hanssen sehr positiv überrascht. Denn bei den meisten skandinavischen Autoren schlafe ich halb über dem Buch ein, da es mich nicht packen kann. Herr Hanssen  hat mir also gezeigt, dass es sich lohnt immer mal wieder neuen Autoren mit interessanten Inhaltsangaben eine Chance zu geben. Somit gibt es hier keine Punkte Abzug. Der schmale Grat zwischen Informationsüberfluss und Langeweile wird gut bewerkstelligt vom Autor. Auch wenn ich mir ab und an dachte, was kommt da jetzt noch? Wie will der Autor seine kommenden Bücher hiernach noch toppen, wenn er jetzt schon so ein komplexes Werk vorlegt? Ich werde mich überraschen lassen.

Alles in allem hat mich “Totenmaler” sehr positiv überrascht und ich werde definitiv den nächsten Band auch noch lesen! Einige Aspekte in dem Buch sind nicht neu, dennoch ist es die Art und Weise, wie es herübergebracht wurde, die das Buch zu einem Leservergnügen machen.

Totenmaler Sketchnote


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Genre: Thriller / VÖ: Februar 2015 / Verlag: Aufbau Verlag* / Serie: Band 1 / Region: Norwegen / Oslo


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