|Roman| “Text”

“Die Fensterscheibe zeigte verschwommene Tannen, das weiße Bildrauschen eines Novemberschneesturms; Telegrafenmasten flimmerten, schoben sich ins Bild wie Streifen auf einem verkratzen Stummfilm.” (Buchbeginn von “text”)

Ilja wird entlassen. Nach sieben Jahren Gefängnis schnuppert er wieder frische Luft. Spürt das Leben, wie es kribbelnd seine Haut entlang fährt. Schmeckt bereits die leckere Kohlsuppe seiner Mutter. Wie hat er die vermisst. Seine Mutter natürlich auch. Umso mehr fällt er vom Glauben ab, als er erfährt, dass diese vor ein paar Tagen an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben ist. Dunkle Schatten ziehen auf.

  • Frust, Angst, Sorgen, Enttäuschung
  • Trauer & Alkohol
  • Telefonate, alte Freundschaften, neue Erkenntnisse

Er zieht los. Hinaus in die Kälte. Ilja will Rache an dem Mann, der ihn hinter Gitter gebracht hat. Zu Unrecht. So sagt er zumindest. Als Leser bildet man sich auch eine Meinung. Stellt sich hinter Ilja und will mit ihm für die Gerechtigkeit kämpfen. Doch dann macht er Dinge, ist nicht Herr seiner Sinne, und rutscht so noch tiefer in das Übel hinab, aus der er erst mühsam herausgekrochen war.

  • Mord
  • Reue
  • Handy
  • Nachrichten
  • Videos
  • Nina

Da ist plötzlich diese Frau. Auf dem Telefon eines Toten. Ein Telefon was er niemals hätte an sich nehmen sollen. Niemals. So beobachtet man förmlich den Zerfall des jungen Mannes, der mit großen Worten und Plänen in ein neues Leben starten wollte und plötzlich an etwas hängen bleibt, was nicht ihm gehört. Er imitiert den ermordeten Mann, schreibt Nina und man greift sich beim Lesen einfach nur an den Kopf. Will ihn schütteln und fragen warum er so einen verdammten Mist veranstaltet!

  • beschreibend, ausfüllend, ein Auge für Details
  • emotionale Passagen
  • ausschweifend, ein Hauch zu viel
  • rau, dunkel, neblig, duster, wenig Licht

So lässt sich der Schreibstil von Dmitry Glukhovsky an ehesten beschreiben. Wer seine Metro Reihe gelesen hat, wird wissen, wovon ich spreche und die Aura des Zerfalls kennen. Diese ist hier auch zu spüren, nur in anderer Form und in der Gegenwart. Das Buch ist kein Krimi, eher ein Roman. Eine Geschichte über einen jungen Mann, der Rache üben will und dadurch sein eigenes Schicksal besiegelt.

Leider verliert sich der Autor im Mittelteil in dem herunterleiern von Textnachrichten oder Videos, die Ilja findet. Das langweilt und bringt einen nicht voran. Sobald man jedoch diesen Part überwunden hat, wartet ein rundes Finale auf die Leserschaft, das einfach stimmig ist und zur Situation passt. Kann ich dennoch einen Lesetipp aussprechen? Jain. Man hat den typischen Glukhovsky Stil, gemixt mit einer Menge Gesellschaftskritik und dennoch passt das Eckige nicht ins Runde. Man kann es lesen, muss aber nicht.

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Genre: Roman / VÖ: September 2018 / Verlag: Europa Verlag / Serie: Einzelband

erhältlich bei: hugendubel.de

gelesen Dank vorablesen.de


4 Kommentare

  1. Hallo Christin,

    ich bin ein ganz großer Fan von Dmitry Glukhovsky, aber nicht wegen Text, sondern wegen seiner Metro-Reihe, die ich so gerne gelesen habe. Leider konnte mich bei Text schon der Inhalt nicht so richtig ansprechen, sodass ich mich dann entschieden habe, das Buch erst gar nicht zu kaufen (ich warte lieber wieder auf ein richtiges Sci-Fi-Abenteuer von ihm). Wie mir scheint, war das vorerst die richtige Entscheidung. (-:

    Viele Grüße,
    Ramona (#litnetzwerk)

    • kaisu
      23. September 2018
      Antworten

      Ich war auch zwiegespalten.
      Meine Neugierde hat dann allerdings gesiegt und so ist es bei mir gelandet.
      Hat einen dann aber auch nicht vom Hocker gehaun.
      Hast also nichts falsch gemachten und das Warten wird sicher belohnt werden :D

  2. 23. September 2018
    Antworten

    Hi!
    Sehr interessante Rezension und bringt mich zum nachdenken. Als ich hörte, dass der Autor an was Neuem arbeitet, war ich schon sehr gespannt was dabei rauskommt. Bis jetzt kenne ich nur Future von ihm, was ein tolles Worldbuilding hat und die Welt! Richtig packend.
    Mhm. Ich weiß jetzt nicht genau, ob ich das Buch lesen soll oder nicht, aber an sich klingt es schon inhaltlich interessant…

    Viele liebe Grüße
    Ani

    • kaisu
      23. September 2018
      Antworten

      Du kennst nur Futu.re von ihm?
      Dann rasch, ab zur Metro-Reihe :D
      Lass dieses Buch aus und taucht lieber direkt in die Endzeit Romane ab. Wenn du die durch hast, kannst das hier immer noch lesen :P

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