|Aktion| “Auf dünnem Eis”

Die Psychologie des Bösen.

Warum begehen manche Menschen grausame Verbrechen?

Diese Frage stellt sich die Menschheit ständig und sie ist auch die Einleitung in das Buch von Lydia Benecke. Sie nimmt uns mit, auf eine Reise in die Köpfe von Verbrechern, von Mördern, von Psychopathen. Dabei stellt sie die gelegentlich eine Frage an den Leser und man fragt sich unweigerlich, wie viel davon steckt in mir? Dass hier natürlich einige Faktoren eine entscheidende Rolle spielen, sollte man nicht unter den Tisch kehren und genau dazu äußert sich die Autorin ebenfalls.

Das Buch ist in neun Kapitel unterteilt. Dabei werden nicht neun Fälle unter die Lupe genommen, sondern es ist ein Mix aus ihren Erfahrungen als Kriminalpsychologin, dem Kontakt mit Psychopathen und deren Taten weltweit. Kapitel eins wird Rodney Alcala (Dating Time Killer) gewidmet. Er wurde 2010 in Kalifornien zum Tode verurteilt. Jahrelang konnte er unentdeckt seinen Taten nachgehen. Wobei das nicht ganz korrekt ist. Man fasste ihn. Er kam ins Gefängnis und wurde u.a. wegen guter Führung entlassen.

Er wurde als “geheilt” eingestuft. Ein schwerer Fehler, der heutigen Psychologen nicht mehr unterlaufen dürfte. Inzwischen ist man weiter, hat Checklisten und Erfahrungswerte gesammelt. Denn Rodney ist ein Meister der Täuschung, er schlüpft in eine Rolle und setzt diese perfekt um. Er will seine Opfer – Frauen – dazu bringen, ihm zu vertrauen. Er ist ein Fotograf, der Model sucht, also spielt er die Rolle. Doch dann kehrt sich seine dunkle Seite nach außen. Der Killer-Instinkt kommt in ihm hoch. Er würgt, stranguliert, vergewaltigt und ermordet die Frauen.

“Je älter sie werden, desto besser können sie ihre Mitmenschen die Rolle vorspielen, die ihnen gerade nützlich ist. Sie werden zu immer besseren Schauspielern und können ihr wahren Inneres zunehmend verbergen.” (S.23)

In Kapitel zwei taucht man dann tiefer ab. Lydia berichtet von ihren ersten Kontakten mit Psychopathen während ihrer Ausbildung. Sie geht dabei der Frage nach, warum man gewisse Eigenschaften hat. Gibt es einen Zusammenhang zu dem privaten Umfeld? Menschen werden bei ihr dabei in “psychologische Bausteine” zerlegt. So sortiert sie, filtert heraus und kann den Grad eines Psychopathen einstufen. Dabei stellt sie fest, dass auch sie Bausteine eines Killers in sich trägt.

Zur Veranschaulichung zieht sie immer wieder bekannte Psychopathen heran. Bekannt durch die Medien, kann man den Menschen direkt ein Gesicht zuordnen und nickt wissentlich. Sie zeigt, wo man Fehler vermeiden könnte und wie schwer es ist einen Killer zu enttarnen, wenn man sich auf dem Gebiet nicht auskennt. Aber sie kommt auch auf ein Thema zu sprechen, was sie persönlich sicher noch eine Weile begleiten wird: Wie kann man sich so einem Beruf widmen? Was ist in die zierliche Frau gefahren, dass sie sich freiwillig so einer Mammutsaufgabe stellt?

“Er würde niemals ernsthaft versuchen, sich das Leben zu nehmen. Stattdessen hält er nach jedem Rückschlag Ausschau nach neuen Opfern, die sich von ihm einwickeln und beeinflussen lassen. Hat er von ihnen bekommen, was er wollte – Anerkennung, Sex, Geld oder sonstige Unterstützung -, und merkt er, dass sie ihm lästig werden oder einfach nichts mehr bieten können, zieht er weiter. Niemand ist ihm wirklich wichtig, und es gibt nichts auf der Welt, das in dauerhaft aufhält.” (S.131)

Zu guter Letzt möchte ich noch auf Kapitel sechs “Unsichtbare Psychopathen: Die echten Dexters” kurz eingehen. Ein Alexander nimmt Kontakt zu ihr auf. Sofort fällt ihr die kühle, emotionslose Art zu Sprechen auf und dann fängt er an Fragen über die Serie Dexter zu stellen. Über das Umleiten von Gefühlen. “[…] Du könntest problemlos jemanden töten, aber du hast keine Motivation dazu? – Genau.” (S.216) Er berichtet von Erlebnissen, die eine Parallele zu psychopathischen Mördern erkennen lassen. Gänsehaut. Hoffen wir, dass er niemals aus seiner Grauzone herauskommt.

Gleiches gilt für einen gewissen Christian. Er ist sympathisch, gleichzeitig unsichtbar in der Masse. Regeln möchte er nicht einhalten. Es sind Barrieren, auf die er keine Lust hat. Er braucht Abwechslung. Zudem neigt er zu Wutausbrüchen. Die Diagnose “Narzisstische Persönlichkeitsstörung” fällt. Zudem beurteilt er “Dinge nicht gefühlsmäßig, sondern sachlich.” (S.245) Monogame Beziehungen sind nicht seins, bisher konnte er sich nie länger binden. Punkte, die alle für einen Psychopathen sprechen. Zum Glück ist nicht jeder automatisch ein Mörder.

wahre verbrechen blood

Lydia Benecke hat eine interessante Art, dem Leser ihr Wissen beizubringen und es zu erklären. Anstatt stumpf Kapitel für Kapitel einen Psychopathen zu nennen und an ihm lapidar aufzuzählen, was an ihm ein Psychopath ist, geht sie eher mit dem Leser auf eine Reise. Eine Reise die einen querbeet durch die Welt der Psychologie führt. Dadurch überschneiden sich manche Kapitel leicht. Dinge, die in einem angesprochen werden, kommen Seiten später erneut auf den Tisch, werden kurz wiederholt und ausführlicher besprochen.

Das Buch wirkt somit etwas unruhig, auch wenn es sich stets an dem roten Faden der Psychopathen entlang hangelt. Am Stück konnte ich es nicht lesen. Was nicht am Inhalt lag, sondern eben dem Aufbau. Inhaltlich werden hier keine blutigen Szenarien dargestellt. Selbst die Fotos zeigen eher Gesichter, aber keinen üblen Tatort. Dafür reicht das Kopfkino aus. Schließlich geht es hier um das Innere. Man soll durch die Augen eines Psychopathen blicken und das ist ihr gelungen.

Lesetipp für Wissbegierige der Kriminalpsychologie.


Steckbrief zu Lydia Benecke

*1982

– studierte Psychologie, Psychopatholgie, Forensik

– arbeitet seit 2008 therapeutisch mit Sexual-/Gewaltstraftätern

– aktuell selbstständige Kriminalpsychologin in Köln

VÖ: 2013
Verlag: Bastei Lübbe
ISBN: 978-3404609000
Kaufen: Neuauflage 2016 bei Bastei Lübbe erschienen

Genre: wahre Verbrechen in Deutschland
Beruf: Kriminalpsychologin

Psychopathinnen (2018)

Sadisten (2018)

Aus der Dunkelkammer des Bösen (2011) mit Mark Benecke

Das Benecke-Universum (2011) mit Mark Benecke

Vampire unter uns I + II (2009 + 2010) mit Mark Benecke

wahre verbrechen

Der nächste Beitrag folgt bei Conny* Macht euch auf die Verbrechen der Vergangenheit gefasst!


9 Kommentare

  1. 5. März 2019
    Antworten

    Das Buch hatte ich tatsächlich schon mal in der Hand, aber hab es nie mitgenommen.
    Interessant finde ich es eine Interessante herangehensweis, aber wird noch ein bisschen mehr zu Frau Benecke gesagt? Also zu Ihrer Arbeit im Alltag?

    Viele Grüße
    Chrissi

    • kaisu
      6. März 2019
      Antworten

      Mh, man begleitet sie quasi streckenweise an den “Schreibtisch”. Sie erzählt halt von Erfahrungen im Alltag. Alle Gespräche hat ja sie gemacht, also klar erfährt man was über sie ;) Aber soll ja eher um ihren Job gehen und den hat sie gut vorgestellt.

    • 6. März 2019
      Antworten

      Ich kenne dieses Buch noch nicht, aber in “Psychopathinnen” geht sie näher auf ihre Arbeit ein, manchmal sogar zu intensiv. Da hätte ich mir gewünscht, dass sie mehr bei den jeweiligen Fällen bleibt.
      Was ich Dir empfehlen kann sind ihre Vorträge. Die sind der Hammer!!! Beim letzten hat sie fast 2 Stunden überzogen, da sie so viel geredet hat und wir vom 100. ins 1000. kamen. Wenn die Stühle nicht so ungemütlich gewesen und mir dadurch der Hintern nicht eingeschlafen wäre, hätte ich ihr noch paar Stunden länger zuhören können *g*.

      Liebe Grüße
      Conny

  2. Hallole,
    verspätet zwar aber ich wollte mir doch Eure Aktion komplett anschauen und bei dem Buch bin ich ja schon wieder hängen geblieben…*hörst du meinen SuB schimpfen?*
    Es gibt ja etliche Bücher über Profiler und Psychologie in der Riege um Serienmörder aber das hier scheint weniger reißerisch und dafür informativer zu sein. Danke das du das mit den Bildern beschrieben hast, so richtig üble Tatortfotos brauche ich nämlich nicht.
    Liebe Grüße
    Kerstin

    • kaisu
      13. März 2019
      Antworten

      Genau, immer schön soft anfangen und dann reinsteigern :D
      Als nächstes kann ich dir dann das Buch ans Herz legen, was ich diese Woche Donnerstag oder Freitag online stelle. Das wäre wohl auch was für die softere Herangehensweise an das Thema (auch ohne Fotos).

      btw ich hab bisher rein reißerisches Buch gelesen zu der Thematik.
      Hast n Beispiel zur Hand? :D

  3. Nun hast mich aber mega angefixt! Das Buch lief mir noch gar nicht über den Weg o.O und wandert direkt auf meine Wunschliste. Ich finde es immer mega interessant, solche Thematiken näher/intensiver zu betrachten! Das es auch nicht “nur” um Fallbespiele geht, sondern ein Mix aus vielen Bereich dessen ist, macht es umso interessanter. Und allein wegen “Die echten Dexters” schon ein lesen-will ;P

    • kaisu
      18. März 2019
      Antworten

      *verbeug*
      immer wieder gerne :D
      Also wenn Bücher dir über den Weg laufen, sag Bescheid. Dann müssen wir die nicht mehr tragen, schonen unsere Rücken und beulen die Taschen nicht mehr so aufs. Hoffentlich sind die auch stubenrein!

      btw. ich wusste, ich bekomm dich mit Dexter XD
      Er ist aber auch ein Paradebeispiel und man merkt nach dem Buch, wie extrem gut Dexter als Figur recherchiert wurde :3

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