|Hardcore| “Drive-In”

“Wir hatten Spaß dabei, soffen, fraßen, lachten, brüllten bei den ekligen Stellen, und schließlich begann Toolbox Murders, und als die Hälfte davon rum war, passierte es.” [S.57]

Bob, Jack und Randy beschließen, wie jeden Freitag, in das nahegelegene Autokino zu fahren. Sie wollen die Horrorstreifen sehen, wo man jeden Gruseleffekt schon von weitem erkennt und die so trashig sind, dass sie sie schon wieder lieben. Sechs verschiedene Filme laufen an diesem Abend. Einer blutiger als der andere. Dennoch fühlen sie sich perfekt unterhalten und mampfen Popcorn und schütten süße Getränke in sich hinein. Doch dann passiert es. Ein Komet rast auf das Autokino zu. Droht alle zu verschlingen. Die Jungs sehen ihr Leben wie ein Spielfilm vor dem inneren Auge vor sich ablaufen. Aber in letzter Sekunde ändert der grässlich grinsende Komet seine Laufbahn. Statt aufzuschlagen, hebt er empor und verschwindet in der Schwärze der Nacht. Alles scheint zum Normalen zurückzukehren, als sie eine plötzlich deutliche Veränderung wahr nehmen. Sie sind umgeben von einer dunklen wabbeligen Masse, die wie ein Kokon über dem Drive-In klebt. Einfach durchfahren denkt man sich! Pustekuchen. Die Masse verschlingt förmlich und bringt jeden um, der in seine Nähe kommt. Was für ein tolles Szenario.

Nun müsste eigentlich Panik ausbrechen. Angst herrschen, weil man sich das Ereignis nicht erklären kann. Doch weit gefehlt. Nach 1-2 Fehlversuchen auszubrechen, fügt man sich stumm seinem Schicksal und schaut weiter die Filme. Ist bestimmt nur eine vorübergehende Sache. Morgen früh wird sich alles lichten. Außerdem hat der Kiosk auf dem Drive-In noch genügend Hot-Dogs, Popcorn und süße Getränke. Verhungern werden sie also auch nicht.
Wenn man in dieser Stelle angelangt ist, merkt man schon die Absurdität in dem Buch, die sich mal komplett von der Realität entfernt. Mit der Zeit bemerken die Kinobesucher zwar, dass das hier kein vorübergehendes Ereignis ist, doch solange es Unterhaltung und Futter gibt, fügt man sich seinem Schicksal. Wie es jedoch nun mal so ist, kommt es immer anders als man denkt und so auch hier: Das Essen neigt sich dem Ende zu. Erste Spuren von Überzuckerung sind zu spüren, die Langeweile macht sich breit – da hilft auch kein Gerammel auf der Rückbank zur Abwechslung mehr – und dann sind da noch diese komischen Blitze, die aus dem wabbelenden Pudding hervorkommen. So langsam kommt das Urtier in Menschen zum Vorschein und Chaos ist vorprogrammiert.

Was nun folgt, ähnelt eher einem trashigen B-Movie, als einem lesbaren Horror-Buch. Aber der Autor sagt auch selbst, dass er sich hiermit nicht in ein Genre stecken lassen will und kann. Zu viele Richtungen werden hier angerissen. Ist es zunächst nur die Gewalt die dominiert, kommt bald das Übersinnliche hinzu. Es passieren Dinge, die so nie passieren würden. Wie zwei Menschen die miteinander verschmelzen, nachdem sie von einem blauen Blitz getroffen worden und von nun an der Popcorn-King sind. Da ist der aufkommende Kannibalismus schon fast etwas Normales, was aus der Not und absolutem Hunger auf engstem Raum entsteht. Man merkt hier schon, dass es sehr derbe zur Sache geht. Es wird kein Blatt vor den Mund genommen. Egal ob Vergewaltigung, Mord und Totschlag oder schlichtweg das Essen von rohem menschlichen Fleisch. Wenn man damit nicht zurecht kommt, sollte man “Drive-In” gar nicht erst zur Hand nehmen. Es wird in keiner Sache ins Detail gegangen. Jack – der Erzähler – berichtet alles aus seinen Erinnerungen und konzentriert sich auf das Wesentliche. Und wie das bei Männern so in der Not ist, erfreut man sich auch an frischen Pfirsichspalten bei einer nackten Frau.

Diese Brutalität passiert aber nicht nur einfach so. Es gibt eine Geschichte dazu, die einen durchaus zum nachdenken anregen kann. Im Nachwort von Dietmar Dath wird hier genau darauf eingegangen – vor allem auf den Nihilismus, der bei einigen Charakteren herrscht. Außerdem macht die kommende abschließende Erklärung der gesamten absurden Situation klar, was hier eigentlich gespielt wird. Jacks überzuckerte Phantasien, von Göttern, die mit ihren menschlichen Marionetten spielen ist gar nicht so abwegig. Dennoch glaubt ihm nie jemand. Bis seine Begleiter selbst seltsame Begegnungen haben und anfangen zu grübeln. So wird dann auch ein Bogen nach dem Sinn des Lebens gespannt. Man merkt schon B-Movie ist nicht gleich B-Movie! Ein weiterer Punkt, den man sich vor Augen halten sollte ist, dass die ersten beiden Bände 1988 bzw. 1989 erschienen sind. Das merkt man deutlich am Schreibstil. Liest sich Band 1 noch recht zügig weg, verliert man sich in Band 2 zeitweise in seltsamen Erzählungen, die sich etwas ziehen. Zum Glück wird in Band 3, welcher erst 2005 rauskam, das Tempo wieder deutlich angezogen. Sollte nun die Frage aufkommen, ob man die Jahrespause merkt, so kann ich das mit Jain beantworten. Der Stil ist gleich, da spürt man keinen Unterschied. dennoch wirkt alles flüssiger und man hat das dickste und letzte Buch mit am schnellsten durchgelesen.

Jetzt folgt die große Frage: Soll ich das Buch lesen?
Als Einstieg für Joe R. Lansdale empfehle ich es nicht. Da sollte man auf die Thriller-Bücher von ihm zurückgreifen, wie “Akt der Liebe” oder “Die Kälte im Juli”. Lesenswert ist es dennoch! Ich wollte zu keiner Zeit das Buch abbrechen, sondern unbedingt die Auflösung wissen. Die mich auch auf ihre Art und Weise zufrieden zurückgelassen hat.
Wer an dieser Stelle immer noch nicht weiß, ob das Buch etwas für ihn ist, dem empfehle ich den Film “Bubba Ho-Tep”. Das ist eine Verfilmung seines gleichnamigen Buches mit Bruce Camphell. Selbst ich – die für so strange Filme selten zu haben ist – halte ihn zu sehenswert und unterhaltsam. Schräge Komik, absurde Handlungen, blutiges Gemetzel. Ein trashige Horror-Komödie, die so einiges durch den Kakao zieht.

Alles in allem hat mir dieses Buch sehr gut gefallen. Es war komplett anders als erwartet und irgendwie hat genau das mich so beeindruckt und unterhalten. Durch den Hänger in der Mitte gibt es einen gedanklichen Punkt Abzug, der mich ab er nicht davon abhält, diesen dicken Schmöcker zu empfehlen!

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 Genre: Horror, Thriller, Krimi, Humor, Science-Fiction, Splatter,… / VÖ: August 2015 / Verlag: Heyne Hardcore  / Serie: Sammelband aller 3 Bände / Region: Amerika/Texas

2 Kommentare

  1. Nenatie
    26. September 2015
    Antworten

    Hallo :)
    eine echt tolle Rezi und das Buch ist noch weiter auf meiner Muss-ich-lesen Liste nach oben gewandert! Es klingt echt abgefahren und sehr interessant!

    Liebe Grüße

    • TheReal Kaisu
      27. September 2015
      Antworten

      Abgefahren trifft es auf den Punkt :D
      Man sollte diesen Stil auf jeden Fall mal gelesen haben :P

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