Es gibt Comics, die hat man schnell verschlungen und in eine Schublade gelegt. Es gibt Comics, die will man schnell verschlingen und verschluckt sich regelrecht daran. Und dann gibt es diese Comics, die einem so nahe gehen, dass man eigentlich nicht weiterlesen will und gleichzeitig sollen sie nie enden. “Bald sind wir wieder zu Hause” ist solch ein Werk. In sechs kleinen Geschichten, bekommt man einen Einblick in eine grausame Welt aus Kinderaugen. Judenhetze, Judenhass, Judenmord, der Holocaust hat vielen Menschen Unrecht getan. Allem voran den Juden und das ist ihre Geschichte.
Tobias, Livia, Selma, Susanna, Emerich und Elisabeth. Ihre Namen stehen stellvertretend für tausende Schicksale im Zweiten Weltkrieg. Sie führten ein normales Leben. Die einen wohlhabender als die anderen und dennoch waren sie Kinder. Gutgläubig und voller Hoffnung. Dann hält der Krieg Einzug. Dazu muss man sich nicht einmal in Deutschland befinden. Polen, Transilvanien und Ungarn. Die Arme der Nazi-Krake reichen weit. Sie sind lang und klebrig. Sie passen in jeden Schlupfwinkel und zerstören jegliche Schönheit.
Es ist eine Fahrt ins Ungewisse, die allen nur Verluste bringt. Mütter und Väter, Oma und Opa, Tante und Onkel, Geschwister, Freunde, Nachbarn – es will kein Ende nehmen. Woran soll man sich als Kind noch klammern, wenn die Liebsten vor den eigenen Augen ermordet werden oder zu Grunde gehen? Verhungert, vergast, gefoltert, erschossen oder einfach an Erschöpfung gestorben und wofür? Weil ein Nazi beschlossen hat, dass sie es nicht würdig sind zu leben? Weil ein Nazi meint, dass er Gott spielen darf? Weil ein Nazi falsche Versprechungen macht, anderen Honig ums Maul schmiert und die Menschen fehlleitet? Weil die Anhänger so dumm sind und diesen menschenunwürdigen Mist glauben?
Eckdaten (Anzeige)
104 Seiten
Juni 2020 veröffentlicht bei Cross Cult*
Einzelband
komplett in Farbe
von Jessica Bab Bonde (Writer) +Peter Bergting* (Art)
Widerstand im zweiten Weltkrieg geht auch weiblich, “Die Spionin*” ist eine Frau, die sich den Nazis stellte (ebenfalls eine wahre Geschichte)
Man kann das Leid förmlich spüren. Es sind nur kurze Einblicke in das Leben der sechs Menschen und dennoch sind sie einprägsam. Egal wie oft man solche Schicksale schon gehört hat. Man darf nie aufhören, sie zu erzählen. Niemals. Denn wiederholen darf sich das auf gar keinen Fall. Nicht heute, nicht morgen, nicht in ferner Zukunft.
Die Panels sind übersichtlich gestaltet und beschränken sich auf die wichtigsten Details. Es wird nichts ausgeschmückt, sondern Erinnerungen einprägsam mit wenigen Farben dargestellt. Peter Bergting ist ein schwedischer Künstler, dem hier eine gute Umsetzung für ein ernstes Thema gelungen ist. Zusammen mit Jessica Bab Bonde wurde auf knapp 100 Seiten dem Vergessen entgegen gewirkt. Auch wenn der Comic an Kinder gerichtet ist, sollten Erwachsene ihn sich nicht entgehen lassen. Vor allem, da gerade diese öfter belehrt werden müssen als unsere jungen Nachfahren. Stichwort #WiderDemVergessen.
“Bald sind wir wieder zu Hause” ist eine Aussage, die Hoffnung schüren soll. Wer hat sie nicht als Kind gehört? Zu Hause soll Sicherheit bedeuten. Für viele ist es Heimat. Für diese Kinder hier, gab es diese viele Jahre nicht mehr. Ihre Kindheit wurde ihnen genommen. Ihr zu Hause, wie es einst war, wurde ihnen genommen. Es ist also eine Lüge. Wie vieles eine Lüge war. Und manch einer meint noch immer, dass es den Holocaust und die Judenverfolgung nie gab. Zum Glück gibt es Werke, wie dieses, die dem entgegen wirken und die Wahrheit erzählen. Menschenschicksale, die berühren und einen nicht so schnell wieder los lassen. Selbst wenn man den Comic zugeschlagen hat.
Daher gibt es von mir eine klare Empfehlung für diesen Comic. Der schlichte Stil, die Worte, die eigentlich alles (aus Kinderaugen) sagen, die Brutalität, die den jungen Geschöpfen entgegen schlug, alles ist eindringlich erzählt. Am Ende berichtet jedes Kind, was die Zeit mit ihnen gemacht hat und wie gut sie die Vergangenheit verkraftet haben. Das gibt jedem Schicksal zusätzlich einen individuellen Touch und lässt gezeichnete Gesichter lebendig wirken.
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