von Osamu Dazai
Rezensionsexemplar
„Ich habe drei Fotografien von diesem Mann gesehen.“ (Buchbeginn)
Yozo Oba ist ein Mensch, der nach außen anders wirkt, als er wirklich ist. Nun gut, das machen viele von uns so. Wir legen uns eine Maske an und verbergen unser wahres Ich, unsere Gedanken und Gefühle. Ein Schutzmechanismus.
Dennoch. Yozo passt nicht ganz in dieses Schema. Er sieht keinen Sinn im Leben. Zeigt depressive Züge und passt sich wie ein Chamäleon an, um nicht in der Masse aufzufallen. Er selbst nennt es „Clownerie“.
Das Buch beginnt in den jungen Jahren. Verschiedenste Situationen aus dem Alltag werden beschrieben. Der Zeitpunkt, ab wann er den „Clown“ erschuf und ihn stetig anwandte. So konnte er fühlen und interagieren. Er sorgte für ein Leben, was einigermaßen der Norm entsprach und nicht in der japanischen Gesellschaft auffiel. Lediglich die Nacht am „Busen einer imbezielen Prostituierten“ machte ihn glücklich. So zumindest einmal in seinem Leben.
„Ein Schwächling fürchtet selbst das Glück. Er verletzt sich an einem Bausch Watte. Auch am Glück kann man Schaden nehmen. Solange ich noch unversehrt war, sollte ich tunlichst verschwinden, dachte ich fieberhaft und zog den Schleier der Clownerie über mich.“ (S.61)
Wie an dem Zitat zu sehen, ist das Buch aus der Ich-Perspektive geschrieben. Was einen driftigen Grund hat. Eine Person hat die Notizbücher von Yozo in die Hände bekommen und wir dürfen diese lesen. Sie sollen einen Einblick in das Leben ein Mannes geben, der von sich selbst sagt, dass er ein Leben in großer Schande führte.
Die Seiten strotzen nur so von Schwermut. Zum Lachen kommen die Mundwinkel hier an keinster Stelle. Eher vor trauriger Bitterkeit, weil du ihm zustimmst, ihn verstehst oder gar bemitleidest.
So schwer alles in „Nicht länger ein Mensch“ auf den ersten Blick wirkt, es gibt Lichtpunkte. Nicht nur für uns, die das Buch lesen, sondern vor allem für diesen Mann, der mit seiner Maske durch die Welt wandelt, deren Weltbild er nicht erfüllen kann, ohne eben jene abzusetzen.
Die traurige Ironie ist, dass diese Lichtpunkte mit dem Erlöschem eines Lichtes enden. Selbst die zarte Freude bekommt als Lohn die Traurigkeit geschenkt.
„Aber von diesem Moment an trug ich den Gedanken fest in mir: Das „man“ ist doch nur ein Einzelner.“ (S.93)
Es ist schwer das Buch zu beschreiben, was nur wenige Seiten lang ist, ohne Lesewilligen alles vorweg zunehmen. Es zieht runter und trieft vor Bitterkeit. Solltest du also nicht in der Stimmung sein, dann lese dieses Buch nicht oder warte bis der Zeitpunkt gekommen ist.
Von meiner Seite kann ich sagen, dass ich in bestimmten Ansätzen Gedanken von mir wiedergefunden habe. Im Gegensatz zu Yozo kann ich die Freuden des Lebens sehen und fühlen.
Für mich fing die Geschichte etwas kryptisch an – der Part vor den Notizbüchern – sie ergab am Ende dann jedoch völlig Sinn und da befiel selbst mich eine gewisse Traurigkeit um dieses Leben, was der Autor Osamu Dazai erschaffen hat.
Schlussgedanken.
Der Roman „Nicht länger in Mensch“ ist dieses Jahr in einer kompletten Neuübersetzung erschienen. Der Lesefluss war flüssig und verständlich. Da ich die alte Version nicht kenne, kann ich an der Stelle keinen Vergleich ziehen.
Für mich hätte die Geschichte länger sein können. Denn kaum war ich in der Welt von Yozo gefangen, wurde ich rauskatapultiert und mit dem Ende konfrontiert. Ein kurzes Lesevergnügen. Wobei Vergnügen an der Stelle nicht mit Entspannung verwechselt werden sollte.
Es bleibt in meinen Augen ein Lesetipp. Gerade wegen der dunklen Stimmung und dem kalten Blick auf die Welt.

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VÖ: 03/25 bei anaconda
Seiten: 144
■ Japan
■ Roman
■ Einzelband
■ Neuübersetzung von Sabrina Wägerle
