“Rache” ist eine Handlung, die den Ausgleich von zuvor angeblich oder tatsächlich erlittenem Unrecht bewirken soll. Von ihrer Intention her ist sie eine Zufügung von Schaden an der Person (oder den Personen), die das Unrecht begangen haben soll. Oft handelt es sich bei Rache um eine physische oder psychische Gewalttat. Vom Verbrechen wird sie im archaischen Recht durch die Rechtmäßigkeit unterschieden. [wiki]
Stell dir vor, du hast mühsam ein kleines Unternehmen aufgebaut. Du hast sogar das Glück, dass dich dein Freundeskreis dabei unterstützt. Selbst die Presse berichtet positiv über deine Idee und macht somit positive Werbung. Da ist die gute Mundpropaganda quasi ein Selbstläufer. Die ersten Arbeitstage laufen perfekt. Fast zu perfekt, aber du weißt, dass dieser Ansturm nicht immer halten wird, dass du dich ins Zeug legen musst. Auch das klappt so weit alles. Die Ideen sind da, die Kundschaft ist stetig da, eine Insolvenz vorerst nicht in Sicht.
Doch dann tritt plötzlich jemand in dein Leben, der alles aus dem Gleichgewicht bringt. Der dir droht und dich vor eine schwerwiegende Entscheidung stellt. Wie wirst du dich entscheiden?
Chris hat mit seinen Freunden Konrad, Rick und Paula eine Hotline ins Leben gerufen, wo man anonym Beichten ablegen kann. Das oberste Gebot lautet hierbei: Keine Polizei! Egal was für grausige Geschichten einem aufgetischt werden.
“Die Beicht-Hotline sieht sich nicht als eine moralische Instanz.” [S.27]
Es war ein gutes Stück Arbeit bis dort hin, aber nun können sie die Lorbeeren ernten und nehmen die regelmäßigen Anrufe entgegen. Doch plötzlich kommt es zu einem Zwischenfall. Bei Rick ruft eine Frau an, die von einem Mord berichtet. Sie wird ein neugeborenes Kind begraben und somit Rache nehmen. Rick ist so verwirrt von dem Anruf, dass er die Polizei anruft. Als Chris davon erfährt ist die Hölle los. Allen werden erneut die Regeln eingetrichtert und es scheint sich alles langsam wieder zu normalisieren, als die seltsame Frau erneut anruft und eine grausige Kettenreaktion in Gang setzt.
Der Schreibstil ist sehr erfrischend und angenehm zu lesen. Man kommt zügig voran, lernt die einzelnen Charaktere und ihr Umfeld kennen. Schnell wird klar, wer wie zu wem steht und wo es unter der Decke zaghaft brodelt. Alles Dinge, die in Extremsituationen gerne an das Tageslicht gekrochen kommen. Dennoch wirken alle völlig überzeugend und zeigen menschliche Züge, wie sie in jedem von uns stecken könnten.
Auch interessant ist der Aufbau des Buches. So fängt es mit der Überschrift “Davor” an. Ein Ereignis geschieht, was nicht schön mit anzusehen ist und im Anschluss geht es mit “Danach” weiter. Man wird mit “Du” angesprochen und ist zunächst etwas perplex. Doch schnell wird klar warum diese Perspektive gewählt wurde. Sie baut eine unbewusste Verbindung auf. Als ob diese Person dir so alles verständlicher machen möchte, damit du verstehst, es nachvollziehen kannst und sie nicht verurteilst.
Mit Kapitel 2 beginnt schließlich das “eigentliche” Buch und die Handlung nimmt seinen Lauf, bis sie im makaberen Showdown endet. Von vornherein ist somit klar, dass dieser Mensch vom Beginn des Buches, eine Verbindung zu dem Anrufer haben muss. Wie und warum, wird alles nach und nach aufgedeckt. Für mich waren die Hinweise leider viel zu offensichtlich. So war jeder Hinweis für mich direkt ein weiteres Häkchen, was ich hinter den Namen setzte, den ich verdächtigte. Die Lösung am Ende war für mich selbst also keine Überraschung mehr. Man weiß schließlich wer für alles verantwortlich ist und jedes Ereignis bestätigte mich nur darin.
Ich fand es sehr schade, dass somit das Rätseln völlig flach viel und die Spannung so extrem abflaute. Natürlich wollte ich wissen, welche brutalen Ideen noch in dem psychopathischen Charakter steckten. Da das Ziel jedoch bekannt war, war nur der Weg dorthin interessant, pushte das die Spannung nicht mehr nach oben.
Die Idee, die hinter dem Buch steckt, finde ich super. Es ist endlich mal wieder ein Thriller gewesen, wo nicht Ermittler A mit Beamten B ein Kuddelmuddel anfängt und mit Opfer C es so gar nicht zu aussieht, weil sich zu ihm noch D,E und F gesellen. Diese Abwechslung gibt dem Buch einen dicken Pluspunkt. Aufgrund der obigen Kritikpunkte jedoch, sackte der Psychothriller, schnell zu einem seichten Thriller ab und konnte mich von der Spannung und dem Nervenkitzel nicht überzeugen.
Es geht mir hier auch nicht um fehlendes Blut oder eklige Details, die werden durch die Du-Perspektive perfekt ausgeglichen, sondern ich brauche ein thrill-feeling und das hatte ich hier nach wenigen Kapiteln nicht mehr.
Abschließend bekommt das Buch somit gnädige 6 von 10 Punkten. Wäre der Lesefluss nicht gewesen und die nette Anrede zum Leser, wäre diese Bewertung noch weiter abgesackt. Außerdem gibt es ein kleines Debüt-Roman-Pünktchen, was jeder Autor von mir bekommt. Eine Steigerung ist schließlich immer möglich. Entsprechend würde ich mich über kommende Bücher von Jutta Maria Herrmann freuen. Denn dass sie wunderbar schreiben kann, hat sie definitiv bewiesen!
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Genre: Thriller/Psychothriller / VÖ: November 2014 / Verlag: Droemer Knaur / Serie: Einzelband
*gleich mal rübergehuscht komm*
Na aber wie ich sehe, sind wir uns in der Quintessenz doch völlig einig, lediglich die Gewichtung der Kriterien sorgt dann für die unterschiedliche Bewertung! Gehe bei deinen Ausführungen völlig mit, und finde auch alles schön verpack und gut nachvolziehbar erklärt! :D
Na das ist doch schön, wenn es nachvollziehbar ist :D
Wenn nicht müsste ich mich tunlichst ins Übungs-Zimmer zurückziehen!
Aber beim nächsten Buch, bin ich dann nicht mehr so gnädig ;)
Ui, da muss ich mir wohl noch überlegen, ob ich es wirklich lesen soll. Habe die Leseprobe geladen, aber noch nicht reingeguckt. Aber die Du-Perspektive reizt mich natürlich. Naja, mal sehen.
Reinschnuppern lohnt sich sicherlich ;)
Kommentar von der Autorin:
Dankeschön für deine Bewertung. Ich habe deine Ausführungen sehr gerne gelesen. Du hast ja auch einiges Positives erwähnt, was mich sehr gefreut hat. Und dass ich dich letztlich nicht richtig packen konnte, schade … Aber vielleicht gelingt mir das ja mit meinem nächsten Thriller besser.
Auf jeden Fall vielen Dank fürs Lesen und die Mühe, die du dir mit der Rezension gemacht hast.