Eine Schöffin ist ein ehrenamtlicher unabhängiger Richter aus dem Volk. Das Ziel ist:
“Durch Beteiligung von ehrenamtlichen Laienrichtern in Gerichtsverfahren soll das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt werden und eine lebensnahe Rechtsprechung erreicht werden. Darüber hinaus dienten sie als sichtbarer Ausdruck der Volkssouveränität, trügen zur einer Qualitätssicherung der Rechtsprechung bei und stellten ein Instrument zur Rechtserziehung des Volkes dar.[Quelle: wikipedia]”
Ruth Holländer bekommt eines Tages ein Schreiben, in dem sie zur Schöffin berufen wird. Anfangs sträubt sie sich tierisch dagegen, findet sich dann aber damit ab und geht völlig unvorbereitet zum ersten Gerichtstermin, was sie schnell bereut. Es wird der Mord einer jungen türkischen Frau behandelt, welche scheinbar Opfer eines “Ehrenmordes” wurde und der Beschuldigte ist passenderweise niemand anderes als ihr Bruder selbst. Ruth merkt von Anfang an, dass da irgendetwas gehörig faul ist. Es wirkt viel zu einfach und “logisch”. Also beginnt sie sich intensiv mit der Materie zu befassen und gerät immer tiefer in den Strudel aus Totschlag, Familie und alter Tradition.
Frau Holländer ist eine quirlig wirkende und dennoch sehr ehrgeizige Person, die mitten im Leben steht.
Ihr Sohn ist bereits ausgezogen und die Tochter kurz davor. Sie betreibt ein kleines französisches Bistro, in dem sie sich voll entfalten kann und entsprechend ihre ganze Energie dort hineinsteckt. Geschieden von ihrem Mann, macht sie sich dennoch immer wieder bei ihm bemerkbar – immerhin wartet die gemeinsame Tochter auf ihren Unterhalt. Ein Punkt der stetig zu kleinen Konflikten im Buch führt. Dies und die kleinen emotionalen Zusammenbrüche lassen Ruth menschlich wirken und machen sie als Figur sympathisch. Sie ist keine Maschine oder geborene taffe Richterin, sondern erarbeitet Stück für Stück ihr Wissen und forsch auf ganz dezente Weise nach.
Das Buch lässt sich Dank des lockeren Schreibstils recht flüssig lesen.
Anfangs wirken die zahlreichen Beschreibung und Aufzählungen etwas erdrückend. Man muss aber schnell feststellen, dass das Absicht ist und perfekt zu den Personen passt, um die es gerade geht. Die unterschiedlichen Abschnitte sind dabei größtenteils mit Orts- und Zeitangaben versehen, was es einem leicht macht, den Überblick zu behalten.
Ebenso die verschiedenen Perspektiven, in denen stetig eine andere Person zu Wort kommen darf. Überwiegend sind es jedoch Derya, welche in einer locker, flockigen Jugendsprache zu Wort kommt und Ruth, die im Gegensatz dazu recht erwachsen und nachdenklich in ihren Passagen wirkt. Diese sprachliche Unterscheidung mag ich sehr bei Büchern. Es hilft einen schneller umzudenken und gleichzeitig sich besser in die Person hineinzuversetzen können.
Wer Angst hat, das Thema “Gericht” könnte zu trocken erzählt sein, den kann man hier getrost beruhigen. Dank der Unterbrechungen durch Zeitungsartikel oder Zeugenaussagen ist es dies auf keinen Fall. Während des Lesen schwebt selbstverständlich die ganze Zeit die Frage im Raum herum: “Wer ist der Mörder?”. Zwar ahnt man irgendwann, wer es ist, dennoch sind der weitere Verlauf der Handlung und natürlich die Gedanken von Ruth interessant und spannend zu lesen.
Alles in allem war ich sehr positiv überrascht von “Unschuldslamm” rund um die Schöffin Ruth Holländern. Es ist definitiv ein gelungener Serienauftakt. Trotzdem fehlte mir am Ende der Überraschungsmoment, welcher das Buch perfekt gemacht hätte. Ich bin auf die Folgebände gespannt!
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Genre: Krimi / VÖ: Januar 2014 / Verlag: Ullstein* / Serie: Serienauftakt
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