Nancy Wake ist eine Journalistin, Schmugglerin, Spionin und Fluchthelferin des zweiten Weltkrieges. Sie wurde 1912 geboren und ist keine fiktive Figur, sondern ein äußerst aktives Mitglied der Résistance gewesen. Im Jahr 2011 verstarb sie in London. Bis heute ist ihr Schaffen unvergessen und steht für viele Widerstandskämpfer des Nationalsozialismuses.
“Nancy duckte sich und lehnte sich gegen das, was von der gesprengten Mauer übrig geblieben war. Für einen Moment schloss sie die Augen.” (S.7)
Wir schreiben das Jahr 1940. Die Nazis sind auf dem Vormarsch. Marseille wird immer mehr von dem Nazipack in Beschlag genommen. Mittendrin lebt Nancy mit ihrem Mann Henri. Wohlhabend. Wohlgenährt. Wohlwissend was da draußen vor sich geht. Besonders Nancy kann die Augen nicht davor verschließen und hilft dem Widerstand, wo sie nur kann. Ihr kommt zu Gute, dass sie eine gutaussehende vermögende Frau ist. Wer vermutet dahinter schon eine Frau der Rebellion?
Dummerweise sieht man in ihrem Mann Henri eine Gefahr. Als er verhaftet wird und kaum eine Chance besteht, dass er schnell wieder auf freien Fuss gesetzt wird, flüchtet sie Hals über Kopf aus dem Land. Noch bevor der amtsinhabende Major Böhm die Puzzleteile richtig zusammenfügen kann, nähert sie sich bereits der Grenze. Die Kontrollen werden verschärft, ein Suchtrupp ihr und den Begleitern hinterher geschickt, doch sie schafft es und beginnt ein neues Kapitel.
“Nancy betrachtet die hübsche junge Frau, die aussah, als könne sie nicht bis drei zählen. Kein Wunder, dass man sie geschickt hatte. Solchen Frauen schauten Männer nach, ohne auch nur im Entferntesten auf die Idee zu kommen, sie könnten Spionninnen sein.” (S.90)
Schlägt man in dem neuen Lebensabschnitt von Nancy die ersten Seiten auf, erkennt man die Hürden, die Frauen im Krieg hatten. Du bist schwach, du bist nicht geeignet, du solltest kochen, du solltest Kinder gebären, du solltest den Haushalt führen. Aber Waffen benutzen? Sprengsätze anbringen? Kampfstrategien entwickeln? Das ist nichts für dich. Bei solchen Worten kommt einem die Galle hoch. Doch sie beißt sich durch. Schließlich muss es sich lohnen, auf Fahnungsplakaten abgelichtet zu sein.
Die Entwicklung lässt sich richtig gut weglesen. Nachdem ich auf den ersten Seiten wirklich Probleme hatte, meinen Lesefluss zu finden, wurde ich spätestens zum Zeitpunkt der Flucht mitgerissen. Ein “Abenteuer” jagt das nächste und man möchte einfach nur wissen, wie sich Nancy schlägt. Zumal viele Eckdaten auf wahren Begebenheiten basieren. Was genau abgeändert wurde, hat das Autorenduo im Nachwort notiert. Ob man dabei auch die Persönlichkeit der Frau getroffen hat?
Diese schwankt gelegentlich etwas. Da ist die taffe Frau, die ihre Ellenbogen einsetzt, sich geschickt einen Namen macht und anerkannt wird und auf der anderen Seite zeigt sie Schwäche, was absolut natürlich ist und gibt “typische” weibische Frauenfloskeln von sich, die nicht so recht in das Charakterdesign passen wollen. Dazu ein paar naive Momente, wo ich mich wirklich fragte, ob dass die Nancy ist, die drei Seiten zuvor noch einen Nazi umgebracht hat.
“Und eben saßen sie noch an ihrem Tisch und haben sich unterhalten, dachte sie bei sich. Das ist es, was der Krieg uns lehrt. Unsere Endlichkeit.” (S.314)
“Die Spionin” ist ein Roman, dessen Untertitel “Sie kämpft um die Freiheit und um ihre Liebe” überflüssig ist. Die Freiheit passt, aber die Liebe (ergo Henri) wird am Ende so plötzlich wieder aufgegriffen, dass es gezwungen wirkt. Für mich ein Aspekt, den man hätte geschickter verpacken können. Kampfszenen kommen ebenfalls nur gedämpft vor. Ich bin in der Hinsicht etwas verwöhnt, da ich äußert viel im Hardcore-Genre lese und hier alles situierter von statten geht, sofern man das im Zweiten Weltkrieg überhaupt sagen darf. Aber sie werden nicht weggelassen oder gar beschönigt.
Letztlich halte ich das Buch für gelungen. Trotz der Eckpunkte kann ich es jedem empfehlen, der mehr über Nancy Wake erfahren möchte, der gerne sieht wie das Nazivolk auf Widerstand trifft und alle jene, die eine Kombination aus Unterhaltung und historischen Fakten suchen.
Genre: Roman / VÖ: Februar ’20 / Verlag: Aufbau Verlag* / Serie: Einzelband
erhältlich bei: hugendubel.de*
zur Verfügung gestellt von vorablesen.de
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