oder “Mein erstes Mal vor Ort in Frankfurt”
Die letzten beiden Jahre haben mir – dank Covid – einige Filmfestivals näher gebracht, die wohl sonst komplett an mir vorbeigerauscht wären. Viele Veranstaltungen fanden plötzlich digital statt. Dieser on-demand-service war für mich ein Segen. Gerade in Sachen Film, schaue ich dann doch lieber auf der heimischen Couch und nicht im vollen Kino. Zumindest in der Menge, die ich bei solch Festivals konsumiere. Entsprechend freute ich mich, dass es auch dieses Jahr wieder einen on-demand-service beim Nippon Connection Festival geben würde! Trotz Event vor Ort, in Frankfurt.
Hier geht es zu meinen Beiträgen aus den Vorjahren:
2020 – 12 Filme, hier gehts zum Beitrag*
2021 – 12 Filme + 2 Dokus, hier gehts zum Beitrag*
Die Nippon Connection* fand vom 24. bis 29. Mai in Frankfurt statt. Eine der Haupt-Locations war der Künstler-Mousonturm. Dort ging es für uns am Sonntag hin, um die Deutschlandpremiere von “Belle” zu sehen. Kurz eingeleitet vom Programmdirektor (der Feuer & Flamme war), startete der Tag mit diesem feinen Anime. Danach wurde das Essensangebot unter die Lupe genommen. Es war klein, aber fein und ließ definitiv Japanflair aufkommen. Neben zahlreichen Informationsständen zu Reisen nach Japan, gab es kleine Kunststände, an denen Furoshiki (Tuch für Bentoboxen), Schlüsselanhänger, Taschen, Yukata und einiges mehr.
Für ein Filmevent durchaus ausreichend, dennoch hatte ich mit mehr gerechnet. Ob dies der aktuellen Lage noch geschuldet ist, kann ich nicht beurteilen, da ich das Angebot der Vorjahre nicht kenne.
Ich habe mich dazu entschieden, nicht alle 17 geschauten Filme in Detail vorzustellen. Stattdessen werde ich lediglich meine Highlights ausführlicher beschreiben. Die restlichen sind dennoch hier gelistet.
Meine Top 3
Belle (2021)
Es ist der einzige Film, den ich vor Ort geschaut habe – die Deutschlandpremiere – und ich bin sehr froh, dass ich kurz vor Ausverkauf noch zwei Tickets geordert habe. Ein kleiner Kinosaal, eng bestuhlt, nicht sonderlich bequem und dennoch, war es ein grandioses Filmerlebnis von Mamoru Hosada.
Worum geht es?
Suzu ist 17 Jahre alt und lebt in einer Zeit, in der ein virtuelles Ich ganz nach der realen Person erschaffen werden kann. Wobei diese online Welt namens “U” vor allem die eigenen Stärken in den Vordergrund rückt. Diese können positiver, aber auch negativer Natur sein.
Suzu selbst wird zu Belle. Nur ihre beste Freundin kennt ihre Identität. Was auch gut so ist, denn die schüchterne Schülern bekommt auf einmal eine Menge Aufmerksamkeit in “U”. Ihre Followerschaft springt in die Höhe. Nach kurzer Freude kommt die Ernüchterung, denn ein seltsamer Avatar mit dunkler Aura bringt Unruhe in “U” und irgendwie scheint er fixiert auf Belle zu sein.
“The Girl who lept through time” gehört mit zu meinen Lieblingsanime. Es ist eine gute Adaption der gleichnamigen Romanvorlage von Yasutaka Tsutsui. Somit freute ich mich noch mehr, endlich wieder einen Film aus der Feder von Mamoru Hosada zu sehen. Unterstützung holte er sich in diesem Fall vom Studio Cartoon Saloon, die u.a. “Wolfwalkers” animierten.
Da der Anime quasi aus zwei Welten besteht, legte Hosada in der realen Welt mit Studio Chizu Hand an und an optischer Konter die virtuelle Welt, vom irischen Studio. Ein gelungener Mix. Der Grenzen aufzeigt und dennoch nicht trennt.
Wie der Titel schon fast erahnen lässt, wird sich hier der Disney Vorlage von “Die Schöne und das Biest” bedient. Doch wer nun glaub den Film zu kennen, täuscht gewaltig. Es ist eine Komposition aus den traumatischen Erlebnissen einer heranwachsenden jungen Frau, mit der Bewältigung in der Gegenwart. Alles wird untermalt von Gesang. Viel Gesang. Bitte jetzt keine Panik schieben. Die Musik passt genau richtig, ist nicht aufdringlich und hat in meinen Augen kein Musical-Flair. Eher Ohrwurm und Taschentuch Potenzial.
Fazit:
Belle erfindet das Rad nicht neu. Es gibt zahlreiche Aspekte, die vorhersehbar sind. Im Umkehrschluss heißt das jedoch nicht, dass der Film fad ist, ganz im Gegenteil. Hier liegt es am Geschick des Storytelling, dass dennoch Überraschungen kommen und Emotionen herausgekitzelt werden, die so nicht erwartet wurden. Für mich war es ein absolut feines Filmerlebnis, was ich jederzeit wieder anschauen würde (und werde!).
Ninja Girl (2021)
Diesen Film hatten mehrere Twitteraccounts – unabhängig voneinander – empfohlen und so kam ich nicht drumherum einen Blick hineinzuwerfen. Den Inhalt kannte ich nur grob und konnte mir den Zusammenhang zum Titel nicht wirklich herleiden. Das änderte sich rasch, als ich ihn dann schaute.
Worum geht es?
Miu ist 25 Jahre alt und kümmert sich um ihren Großvater, der bettlägerig ist. Er bekommt äußerst selten Besuch. Lediglich ein Kollege von Miu kommt regelmäßig vorbei und redet mit dem alten Mann. Diese Gespräche bekommt sie nicht mit, aber beiden scheinen die Unterhaltungen wichtig zu sein. Eines Tages dann der Schock: Ihr Kollege begeht Suizid.
Doch sie hat kaum Zeit diesen Fakt zu verarbeiten, denn ihr Großvater Goro erzählt Miu was wohl der Grund für die Tat ist und nun sie die Dokumente verstecken soll.
Nach und nach kommt heraus, um was es darin ging: Beauftragte Dokumentenfälschung im großen Rahmen der Einbürgerung von Ausländern.
Allerdings bekommt Miu noch einer weitere Mission auferlegt: Sie stammt von einer alten Ninja-Ahnenreihe ab. Diese Information gibt ihr so viel Selbstvertrauen, dass sie zum Ninja Girl werden muss! Klingt jetzt erst einmal komisch, ist es aber absolut nicht. Sie trainiert unermüdlich, um letztlich ihr Können in die Tat umzusetzen. Und dieser Showdown hat es durchaus in sich und bietet Rassismus die blanke Stirn!
Fazit:
Der Film überzeugte mich vor allem durch sein Komplettpaket. Da ist der alte Mann, die junge unscheinbare Miu, und die Männer groß Werbung für erfolgreiche Integration machen und gleichzeitig wollen, dass “Fremde” aus Firmen gekündigt werden. Alles untermalt vom passenden Soundtrack und der Auferstehung von Ninja Girl!
One Day, you will reach the Sea (2022)
Ich habe in den letzten Jahren vermehrt Dokumentationen und Filme um und über das Tsunami Unglück von 2011 gesehen. Alle hatten dabei stets den Fokus auf wahre Erlebnisse und Einzelschicksale. Auch dieser Film hier handelt von einem (fiktiven) Einzelschicksal.
Worum geht es?
Mana verbindet eine lange Freundschaft mit Sumire. Vor 12 Jahren lernten sie sich durch ungewöhnliche Umstände näher kennen und scheuten seitdem nie die Nähe der Anderen. Dann, kurz vor dem 11. März 2011, bricht Sumire plötzlich den Kontakt ab. Sie war dafür bekannt, gerne allein zu reisen, dass sie an jenem Tag an der Sunriku Küste aufhalten würde, ahnte niemand. Erst als der Anruf kommt, gibt es Gewissheit und für Mana bricht eine Welt zusammen. Sie kann und will den Tod ihre besten Freundin nicht akzeptieren.
Dann findet sie die Kamera. Mit dieser nahm Sumire steht kleine Momente auf. Erinnerungen kommen in Mana hoch und so langsam scheint sie den Verlust zu verarbeiten. Gemeinsam mit ihr, erleben wir die 12 Jahre Freundschaft erneut und wie sie Stück für Stück den Punkt akzeptieren kann, dass ihre Freundin nie wieder auftauchen wird.
Fazit:
Der Film wird von Regisseur Ryutaro Nakagawa gefühlvoll umgesetzt. Die langsame Kameraführung, die seichte Musik und die warmen Bilder sorgen für das gelungene Ambiente. Dieser Film ging wirklich ins Herz. Du leidest mit Mana mit und willst einfach nur dafür sorgen, dass ihre tiefe Trauer endlich erträglich wird und sie nicht mehr hinabzieht, sondern die schönen Momente der Erinnerungen ihr Freude bereiten.
Weitere Filme, die mich überzeugten
Salaryman (2021)
Dokumentation über die Salaryman in Japan. Männer, die quasi ihre Seele großen Firmen verkaufen, wo Überstunden zum guten Ton dazugehören, wie der abendliche Umtrunk mit Kollegen. Dass dabei gern der letzte Zug verpasst wird und die Anzugträger auf der Straße einschlafen, sorgt für das bekannte Bild, dem Allegra Pacheco auf den Grund geht.
Frauen spielen hier übrigens eine untergeordnete Rolle, auf den Punkt wird in der Doku auch eingegangen.
Melting Sounds (2021)
Es geht um das Geräusche sammeln. Die junge Koto trifft einen alten Mann, der in einem Papphaus lebt und Gräusche mit Kassetten aufnimmt. Der anfangs zögerliche Kontakt wird immer tiefer und so nehmen die beiden bald gemeinsam allerlei Geräusche auf.
Just the Two of Us (2020)
Hier treffen zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Shunsaku ist seit einem Motorradunfall vom Hals abwärts gelähmt und auf Hilfe angewiesen. Jedoch lehnt er jede Hilfkraft ab. Lediglich die blinde Hanae lässt er an sich heran und so entwickelt sich langsam eine intensive Freundschaft, die mit zahlreichen Hürden aus der Gesellschaft zu kämpfen haben.
Sensei, would you sit beside me? (2021)
Sawako und Toshio sind das perfekte Ehepaar. Beide sind Mangaka und ergänzen sich auf dieser Ebene perfekt. Sie entwirft die Story und er fertig die Endzeichnungen an. Dann findet Sawako heraus, dass ihr Mann sie betrügt und spinnt einen netten Racheplan. Sie schreibt eine neue Story, die der Ehe der beiden arg ähnelt und Toshio glaubt kaum, was er da sieht. Doch ist wirklich alles real, was sie anfertigt und er glaub zu sehen?
A Madder Red (2021)
Ryoko verlor vor sieben Jahren ihren Ehemann bei einem Unfall. Seitdem kämpft sie damit, dass der Unfall nie als solcher anerkannt wurde und entsprechend keine Entschädigung gezahlt wird. Als wäre das nicht genug, muss sie dank der Covid-Pandemie ihr Bistro schließen und arbeitet fortan in einem Gartencenter und Sexclub, um für sich und ihren Sohn genügend Geld zu haben.
Doch nach jedem kleinen Erfolg scheint ein noch tieferen Unglück zu folgen. Ob die beiden jemals ein ruhiges Leben führen können?
Parasite in Love (2021)
Eine Buchverfilmung, in der sich zwei Menschen mit komplett unterschiedlichen Phobien kennenlernen. Wobei Kengo (Mysophobie) eher dazu gedrängt wird, mit Hijiri (Scobophobie) in Kontakt zu bleiben, denn sie soll durch ihn menschliche Kontakte aufnehmen. Was blöd ist, da er an jedem Menschen den Schmutz nur so leuchten sieht und ihre Nähe scheut. Dennoch kommen die beiden sich irgendwie näher, bevor sie sich ihrer Phobien erneut bewusst werden. Ein Teufelskreis.
Ring Wandering (2021)
Sosuke möchte einmal ein Mangaka werden. Bevor er diesen Traum in die Tat umsetzen kann, schuftet er auf einer Baustelle. Dort findet er eines Tages einen Wolfsschädel. Er will natürlich das komplette Skelett finden und trifft bei seiner heimlichen Ausgrabungsaktion ein fremdes Mädchen, was ihn zu sich einlädt. Hier wird die Gegenwart mit der Fiktion gemischt. Die Grenzen zwischen Realität und dem Traum verschwimmen so vor Sosuke, dass er diese fast nicht mehr erkennt.
Under the Stars (2020)
Chihiro litt einst an einem fiesem Ekzem, der sie als Baby viel leiden lies. Ihre Eltern probierten sich in zahlreichen Heilmethoden, bis schließlich ein besonderes Wasser für Linderung sorgte. Seitdem gehören ihre Eltern einer seltsamen Sekte an, dessen Treiben die junge Chihiro nie hinterfragte. Bis sie es plötzlich doch macht und es zu einigen Konfliktsituationen kommt.
Filme, die mich nicht gänzlich überzeugten
Popran (2022)
Wenn der eigene Penis einfach ma abhaut und durch die Lüfte fliegt. Wenn er dann nicht innerhalb der nächsten sechs Tage wieder eingefangen wird, dann wird der gute Körper dahinter – in dem Fall von Tagami – für immer penislos bleiben. Klingt komisch, ist es auch, allerdings mit einer Menge Potenzial nach oben.
My brother, the android and me (2022)
Kaoru ist Ingenieur und lieber allein, als unter Menschen. Um nun den Kontakt zur Außenwelt gänzlich unterbinden zu können, baut der kluge Kopf ein Ebenbild von sich. Ob er damit durchkommt? Regen, regnerischer, Kaoru. Frankenstein in modern, nur komplett ohne Energie, sodass alles förmlich droht im Regen wegzuschwimmen.
Any Crybabies around? (2020)
Frischer Papa und direkt von der Gesellschaft unter Druck gesetzt. Tasuku bekommt dies, in Zusammenhang mit einem Traditionsfest und viel Alkohol so gar nicht und er haut einfach mal für 2 Jahre nach Tokio ab. Doch 2 Jahre Schweigen glätten keine Wogen und so muss er sich seiner Vergangenheit und Zukunft als Vater stellen. Ein wenige mehr Pfeffer unterm Hintern hätte auch dem Film gut getan.
The Sunday Runoff (2022)
Wenn der eigentliche Politikanwärter einen Herzinfakt bekommt, muss eben die Tochter antreten. Das ist für den unerfahrenen Staatsekretär Tsutomu eine ziemliche Herausforderung, denn Yumi macht nicht wirklich das, was ihr gesagt wird und so wird der easy peasy Plan rasch zur kleinen Achterbahnfahrt. Der volle Elan und Humor vom Ende, auch an den Anfang gepackt und der Firm wäre perfekt gewesen.
Meine Abschlussworte
Nach einer Woche Filme suchten, kann ich sagen, dass ich keinen wirklichen Flopp dabei hatte. Einige Filme werden sicher noch auf disc bei mir einziehen, sobald sie erhältlich sind.
Für das nächte Jahr wünsche ich mir wieder einen on demand Part! Selbst wenn er nur eine Auswahl ist, so kann daheim noch einiges geschaut werden, was vor Ort, durch diverse Gründe einfach nicht möglich ist. Denn dank dieser Events, tauchen einige Filme vor meiner Nase auf, die ich wohl so nie entdeckt hätte.
Meine komplette Liste + Wertung auf Letterboxd*
Ich habe mich gefreut mit einer guten Freundin endlich mal das Flair vor Ort erleben zu können. Lecker Eis zu löffeln und unter Gleichgesinnten zu sein. Dabei auch noch den Chris zu treffen und damit ein weiteres Twitter-Gesicht auch mal im real life getroffen zu haben. In dem Sinne: Mate ne!
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