vs. The Menu, die Buchverfilmung.
Buch & Film.
Es geht um die Vorstellung eines Romans, sowie dessen filmische Umsetzung. Dabei möchte ich nicht alles explizit auseinandernehmen, sondern eher die Vorzüge und Nachteile beider Versionen eingehen.
Gegenwart. Zwei befreundete Paare treffen sich in “angerichtet” gelegentlich zum gemeinsamen Essen. Diesmal geht es in ein Spitzenrestaurant, dessen Name nie genannt wird. Schließlich soll es nicht überrannt werden, sondern eine kleine Wohlfühloase bleiben.
Paul, der Ich-Erzähler der Handlung, führt uns durch einen interessanten Abend, dessen Ausgangslage bereits geraume Zeit zurvor stattfand.
Es ist der Höhepunkt eines Ereignisses, der das Leben der beiden Paare gehörig auf den Kopf stellen wird. Oder schon gestellt hat?
Serge, heißt sein Bruder. Er ist das komplette Gegenteil von Paul. Er steht gern im Mittelpunkt, ist bekannt und aalt sich im Licht seiner Berühmtheit. Schmutz – jeglicher Art – hat auf seiner weißen Weste nichts zu suchen und muss schleunigst beseitigt werden.
Eigenschaften, die Paul in den Wahnsinn treiben.
Dann sind da noch die beiden Ehefrauen. Babette, die Frau von Serge und Claire, die Frau von Paul. Sie haben jeweils gemensam Kinder in die Welt gesetzt und in ihren Familien aufgenommen. Die ältesten Söhne – jeweils 15 Jahre alt – stehen nun im Mittelpunkt der kompletten Handlung.
Sie ahnen davon nichts.
Eigentlich ahnt niemand, was hier noch geschehen wird.
Außer Paul vielleicht. Obwohl.
Die offenen Fragen sind nicht unbeabsichtigt gewählt. Im Laufe der Geschichte wird schnell klar, dass ein dramatisches (widerwärtiges) Ereignis die Familien hier zusammen geführt hat. Dabei ahnen sie nur, um was es geht, denn ausgesprochen wird es spät.
Klare Worte? Ist das essbar?
Gleichzeitig spürst du von Seite zu Seite, wie sich die Lage zuspitzt. Paul will endlich klare Worte finden. Dinge aussprechen und umsetzen, die er sonst niemals machen würde.
Was wäre also, wenn er den direkten Weg wählt?
Frust rauslässt und sein gegenüber auf die harte Tour bewusst macht, dass ER sich nicht mehr manipulieren lässt. Dass ER jetzt der Widerstand ist und kein Grashalm im Wind, der sich in der Masse mitbewegt.
2022 kam die Verfilmung auf den Markt.
“The Menu”.
Diese Verfilmung gehört definitiv in die Rubrik: Inspiriert vom Flair und der Stimmung eines Buches.
Es gibt also einige Unterschiede. Die Kernaussage bleibt dennoch gleich:
Rebellion gegen jene, die meinen mit Präsenz, Geld und Macht lässt sich alles regeln.
Rebellion gegen jene, die gerne hinabschauen und keine Widerworte dulden.
Rebellion gegen jene, die glauben den Markt zu regeln.
Rebellion gegen jene, die meinen OHNE sie läuft gar nichts.
Was macht der Film anders?
Bleiben wir erst einmal bei dem was gleich ist:
(A) Es geht in ein Gourmetrestaurant. Freunde, Paare, Kolleg*innen und Bekannte treffen sich dort zu einem besonderen Mahl.
Auf den ersten Blick scheinen sie alle gleich gestellt zu sein. Doch im Laufe der Handlung bröckelt die Fassade. (B) Es geht also nicht nur im zwei Paare, sondern mehrere.
(C) Der Aufbau eines Menüs ist gleich geblieben. Film sowie Buch folgen einem längeren Gänge-Menü, was dem klassischen Spannungsbogen gleicht. Von der Einleitung (Aperetiv) zum Höhepunkt (Hauptgang), bis hin zum Abgang (Trinkgeld).
(D) Der Fokus liegt im Film deutlich mehr auf den Speisen und rückt gleichzeitig den Koch (Maitre) in den Mittelpunkt.
(C) Was im Buch die unmenschliche Wunde ist, ist im Film eher das Unbekannte hinter dem Gesicht des Maitre.
(D) Das Unbekannte hat in beiden Fällen etwas hässliches in sich. Etwas, was hinter der menschlichen Fassade lange verborgen blieb und nun dramaturgisch ins Licht gezerrt wird.
Buch vs. Film, das Fazit
Finde ich eines besser? Nein. Beide haben ihre Stärken und Schwächen.
So mag ich an dem Buch die Herangehensweise. Eine Familie beugt sich einmal nicht der oberen Schicht und wählt den Weg, den sie schon lange hätte gehen sollen. Dass das vielleicht nicht alle glücklich macht und so manch lesende Person triggern könnte, ist ein wunder Punkt.
Ein wunder Punkt, der kombiniert mit dem Schreibstil und der kompletten indirekten Kritik an der Gesellschaft, absolut gerechtfertigt ist.
Der Film geht hier noch einen Schritt weiter. Viel weiter!
Er ist da noch direkter und brutaler. In der Masse gesehen.
Ich möchte das Geschehen aus dem Buch nicht kleinreden, kann jedoch aus Spoilergründen keine genaueren Details geben. Daher bleibt alles etwas kryptisch.
Nicht zu vergessen: Das ist (in beiden Fällen) bitterböse Satire!
Schmunzler bleiben also nicht aus. Sofern der richtige Nerv getroffen wird. bei mir wurde er.
Somit gibt es von mir für beide Exemplare eine Empfehlung.
Bitte keinen Trailer zum Film schauen, sondern wirklich einfach auf sich wirken lassen. Wohin alles geht, wird recht früh angedeutet. Du hast mit ein Gewalt ein Problem? Dann solltest du beides nicht konsumieren.
Du magst es bitterböse und hast nichts gegen das ausleben von Emotionen, selbst wenn es over the top ist? Reinlesen bzw. reinschauen!
Gerade der Film hat mich in puncto ausleben von Emotionen mehr gecatched und angesprochen. Vielleicht, weil ich einmal selbst jahrelang in der Gastronomie gearbeitet habe. Einem der zahlreichen Berufe, wo die hübsche Fassade gewünscht wird und WEHE sie ist nicht da!
“angerichtet”
2011 bei KiWi* (TB)
320 Seiten
von Herman Koch
“The Menu”
VÖ: 2022
Regie: Mark Mylod
mit Ralph Fiennes + Anya Taylor-Joy
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eine weitere Buchverfilmung:
“The American”
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