|Crime| „After Dark“

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von Jayne Cowie

Rezensionsexemplar

„Zwei wichtige Lektionen habe ich als junge Frau an der Polizeiakademie gelernt. Erstens: Deine erste Leiche vergisst du dein Leben lang nicht. Zweitens: Hinter jeder toten Frau steht ein Mann, der beteuert , sie seine große Liebe, selbst dann, wenn er ein Messer in der Hand hat und ein blutgetränktes T-Shirt am Leib.“ (Buchbeginn)

Sarah lebt auf den ersten Blick ein normales Leben. Sie ist geschieden. Sie hat ein Dach über den Kopf. Ihre fast volljährige Tochter ist bei ihr. Sie einen Job, in dem sie gut verdient und die beste Freundin ist ebenfalls nicht weit entfernt. Schauen wir etwas tiefer hinein, lassen manche Dinge die Augenbraue zucken.
So ist ihr Ex-Mann im Gefängnis. Bald wird er entlassen.
Ihre Wohnung befindet sind in einem Frauenhaus. Die Adresse kennt der Ex-Mann natürlich nicht.
Sie arbeitet in einer Einrichtung, die Fussfesseln von Männern prüft. Zudem ist jenen Männern untersagt Abends (im Dunkeln) sich nach draußen zu begeben. Allen Männern.

In dieser Welt, in der Sarah lebt, dürfen Männer nach 19 Uhr nicht mehr nach draußen. Erst morgens, wenn es hell ist, können sie ihre Wohnungen verlassen. Mit diesem Gesetz sollen sich Frauen abends sicherer fühlen und keine Angst mehr vor Morden, Überfällen und diversen anderen Gewalttaten haben. Tatsächlich ist die hohe Todesrate ein Auslöser für jenes Gesetz gewesen. Statistisch gesehen haben nach Erlass, jene Gewalttaten erheblich nachgelassen. Eine win-win Situation, oder?

„Jedes System hat seine Schwachstellen. Die Wirksamkeit der Regel erweist sich an den Ausnahmen. Klar, die Sperre sorgt dafür, dass Männer nachts drinnen bleiben. Aber blindlings jeder Störanfälligkeit des Systems leugnen? Das wäre ziemlich naiv.“ (S. 61)

Das Buch beginnt mit einem Mord. Eine Frau wurde umgebracht. Nachts, in einem Park. Es kann also nur eine Frau gewesen sein. Eine kräftige, starke Frau. Andere Optionen werden kategorisch ausgeschlossen. Schließlich gibt es ein Gesetz. Es gibt Fußfesseln. Ein Kontroll- und Alarmsystem. Alles absolut sicher!
Die Polizistin Pamela ist unter anderem für den Fall zuständig. Sie gehört zu jenen, die die Sicherheit des Systems anzweifeln. Sie glaubt nicht an eine Mörderin, sondern einen Mörder. Allerdings wird sie zum Schweigen verdonnert. Etwas, was sie nicht auf sich sitzen lassen kann.

Eine weitere Person, die zu Wort kommt, ist die Tochter von Sarah. Cass ist fast volljährig, ihr Geburtstag steht kurz bevor, und sie glaubt felsenfest an die Unschuld ihres Vaters. Gewalttätige Männer? Da haben sich Frauen, wie ihre Mutter, nur eingesteigert. Da sie eine Welt ohne Ausgangssperre nicht kennt, mag ihre Denkweise eingeschränkt sein. Trotzdem. Sie spricht Dinge aus, dir mir mehrfach durch den Kopf gingen, als ich das Buch gelesen habe.

Cass und Pamela sind die einzigen beiden Frauen, die in dem Buch aktiv gegen das System sind oder besser gesagt, die es nicht als ausgereift und fehlerhaft betrachten. Cass ist eher die unschuldige Heranwachsende, die „böse“ Männer nicht kennt und Pamela kennt sie und weiß wozu sie fähig sind. Da hilft auch keine Fussfessel und ein engmaschiges Kontrollsystem.

„Sie presste die Hand an den Bauch. Ein Mädchen, redete sie sich gut zu. Eindeutig ein Mädchen. Sie drückte auf den Knopf. Glückwunsch! Es ist ein Junge!
‚Scheiße‘, murmelte sie. ‚Nein, nein!'“ (S.221)

„After Dark“ hat meine Gefühle und Gedanken Achterbahn fahren lassen. Da ist dieser Gedanke, dass ein System gefunden wurde, wie Männer weniger Frauen umbringen. Was dabei völlig außer Acht gelassen wird ist, dass die meisten Morde in den eigenen vier Wänden geschehen. Somit ist eine Pflicht daheim zu bleiben kontraproduktiv. Dann kommt der Faktor „Frau“ dazu. Als ob jede Frau dieses Spiel mitspielt und nicht heimlich Männern hilft, sich frei zu bewegen. Dieser Aspekt kommt u.a. im Buch vor.

Dazu kommt die Aufklärung der neuen Generation, die dieses „davor“ gar nicht kennt. Die plötzlich nur nette Männer sieht und alles skeptisch hinterfragen. Oder, sie nehmen alles sektengleich so hin ohne zu hinterfragen. Beides fragwürdig in meinen Augen.

Die Handlung dreht sich letztlich komplett um den Mord. Wir begleiten mehrere Frauen in der Gegenwart. Lernen sie näher kennen, lieben oder hassen. Dann gibt es abwechselnd ihre Version VOR dem Mord. Das ist geschickt gemacht, da so lange unklar ist, wer ermordet wurde. Ist es eine der Frauen, die zu Wort kommen dürfen – wenn ja, welche? – oder bekommt sie gar kein Gesicht und bleibt DAS Opfer?
Die Charaktere machen fast alle eine Wandlung und somit Entwicklung durch, was mir gut gefallen hat. Sie bekommen somit einen menschlichen Touch. Menschen können sich irren, stur sein, lieben, hassen, Leben in die Welt setzen und es auch wieder nehmen. Mit Gewalt.

Schlussgedanken.
Mir hat er Roman gefallen. Trotz fehlender Aspekte. So hätte der Grundgedanke in „After Dark“ deutlich mehr Tiefe verdient. So umfangreich, wie der Ansatz einer Lösung für weniger nächtliche Übergriffe auf Frauen ist, genauso tief hätte die Autorin gehen können.
Somit bleibt es eine spannende Unterhaltung von ein paar Stunden, die den Kopf mitarbeiten lässt und sich für eine kurze Zeit einbrennt.

dt. Ausgabe

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: 02/25 bei Heyne
Seiten: 432

■ USA
■ Crime/Thriller/Dystopie
■ Einzelband

Original

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