Ich habe mich nach langer Zeit mal wieder an ein Jugendbuch herangewagt. Meistens waren mir die Bücher nämlich immer zu lasch und vorhersehbar, selbst wenn man sich in die richtige Altersklasse versetzte und seine “erwachsenen” Ansprüche stark zurückschraubte. Doch diesmal hat mich die Idee, der Inhalt und die Zeitepoche so neugierig gemacht, dass ich nicht anders konnte.
Es geht um den Jungen Dalton Fly. Er ist Giftschmecker, quasi ein Vorkoster und gehört zu “Oskars redlichem Dutzend”. Der Namensgeber dieses “Unternehmens” ist Oskar. Er ist der Ersatzvater/Ziehvater, die Person, die den Jungen die Arbeit vermittelt und für das Dach über dem Kopf sorgt. Mag man hier direkt an Oliver Twist von Charles Dickens denken, muss man diesem Gedanken jedoch direkt den Wind aus dem Segeln nehmen. Zwar gibt es einige Gemeinsamkeiten bei den beiden Jungen, aber grundsätzlich geht es Dalton wesentlich besser und er wird nicht für Schandtaten missbraucht, wie Oliver es wurde.
Doch bei dem letzten Auftrag ist etwas gewaltig schief gelaufen. Bennie und Dalton, sollten wieder einmal einiges vorprobieren für die gehobene Gesellschaft, als beide plötzlich Blut spucken. Der 12jährige Bennie überlebt diese Aktion nicht und Dalton flüchtet aus Angst Hals über Kopf aus dem Gebäude. Sein Fluchtinstinkt ist berechtigt, denn schnell muss er feststellen, dass man Jagd auf ihn macht. Doch was wollen seine Verfolger von ihm? Wem galt dieser Anschlag? Sind noch mehr Vorkoster betroffen?
Er findet rasch Unterschlupf in Oskars Haus und seinem Freund Sal. Dieser hilft ihm ein Gegengift zu mischen, damit nicht auch noch Dalton Fly sterben muss. Kurz darauf begeben sie sich auch schon auf die Suche nach den Übeltätern und lernen dabei die junge Dame Scarlett näher kennen, die es vor allem Dalton gehörig angetan hat.
Als stummer Beobachter werden einem nach und nach immer mehr neue Figuren vorgestellt, die entweder alte Bekannte von den Vorkoster-Jungs sind oder aus der besseren Gesellschaft von Scarlet stammen.
Dabei fällt einem schnell auf, wie raffiniert die Namen gewählt sind. So kommen unter anderem Eyesdown, Dropmore, Watts, Honeycut und Applefell vor. Eine kleine Wortspielerei in einem Jugendbuch, die ich für sehr gelungen halte.
Während die Teenager von einem Abenteuer in das nächste rutschen, legt das Buch ein gutes Tempo vor.
Der Schreibstil ist recht flüssig und entsprechend schnell kommt man in das Geschehen um Dalton Fly und seine Jugendbande hinein. Es wird einem kaum Luft zum atmen, so zügig entwickelt sich alles. Natürlich bleibt ab und an die Logik etwas auf der Strecke. Das ist aber für die Handlung selbst nicht dramatisch. Stattdessen wird einem sogar noch etwas beigebracht. Man erfährt einiges über Kräuter und Sträucher, die giftig sind oder als Gegengift wirken können. Es ist wie indirekte Lehrstunde, wo der Leser noch etwas beigebracht bekommt.
Über das altersgerechte Verhalten in dem Buch kann man sich streiten. So kommt einem die 16jährige Scarlet für ihr Alter sehr erfahren vor. Was aber auch an der adligen Herkunft liegen kann, schließlich war im Mittelalter dort die Bildung wesentlich besser als in den Unterschichten. Aus eben jener niederen Schicht kommt Dalton. Er ist 14 Jahre alt und wirkt teilweise recht naiv und ungebildet (streckenweise, wird im Buch auch darauf eingegangen).
Ebenso seine zarten Gefühle für die ältere Scarlet wirken recht kindlich. Aber man sollte hier auch nicht von der heutigen Jugend auf die der damaligen Zeit schließen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Epochen und die Gesellschaftsschichten waren damals noch gravierender voneinander getrennt als heutzutage. Daher ist meine Meinung, dass die Figuren sich in “Der Giftschmecker” passend zu ihrem Alter und ihrer Schicht verhalten.
Alles in allem halte ich dieses Buch für sehr gelungen.
Es ist ein schönes Jugendbuch, was einige Überraschungen parat hält – auch wenn man sie als Dauer-Thriller-Leser schnell durchschaut – es weiß den Leser zu unterhalten. Das deutsche Cover halte ich für sehr passend mit der giftgrünen Farbe und sollte den ein oder anderen jüngeren Leser auf jeden Fall ansprechen. Ebenso die einzelnen Kapitelgestaltungen mit dem kleinen Glaskolben, aus denen eine Flüssigkeit tropft. Das Originalcover finde ich zwar besser, aber für ein Jugendbuch einen Touch zu verrucht.
Altersempfehlung: 12+
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Genre: Roman/Abenteuer / VÖ: Juli 2014 / Verlag: Carlsen – Chicken House* / Serie: Einzelband
Hallo Kaisu!
Uii, ich hab wohl zu früh mit dem Lesen abgebrochen. Die ersten Seiten fand ich noch super, aber als dann die Flucht durch den Abwasserkanal stattfand, war irgendwie die Luft raus. Es konnte mich nicht mehr packen und ich hatte Mühe, beim Lesen nicht einzuschlafen. Aber ich sollte dem Buch wohl noch eine zweite Chance geben, wie ich sehe.
Vielen Dank für deine Meinung zum Buch! Liebe Grüße, Iris
Ich habs mit "Kinderaugen" gesehen und konnt mich gut reinlesen. Gibt zwar was "unspannendere" Momente, aber das kleine Finale ist recht putzig gemacht – für ein Jugendbuch finde ich es gut umgesetzt ;)