“Mit einem Anruf fing es an, scheinbar harmlos und leicht zu ignorieren. […] Den Namen sehen, auf stumm schalten, das Handy mit der Vorderseite nach unten neben den Wecker legen.
Doch dann. Wachliegen und überlegen, warum mein Bruder am Sonntagmorgen so früh anruft.” (Buchbeginn)
Immer tiefer bohrt sich der Stachel der Neugierde in Nic hinein. Letztlich schält sie sich behutsam aus dem Bett, um ihren Verlobten nicht aufzuwecken und hört die Sprachnachricht ab. Es geht um ihren Vater. Es geht ihm nicht gut. Seine Vergesslichkeit, die das Wort “Altersdemenz” sofort vor dem inneren Auge auftauchen lässt, wird immer schlimmer. Zudem bricht die Geldquelle ein. Das Elternhaus muss verkauft werden, um wieder einen Puffer zu haben.
Probleme, die man nicht braucht und die dennoch auftauchen. Also ruft sie ihren Bruder Daniel zurück und lässt verlauten, dass sie helfen kommt. Schließlich muss das Haus hergerichtet werden. Außerdem ist da noch dieser Brief. Diese merkwürdige Nachricht über ein Mädchen. Sie spürt, wie die Schatten der Vergangenheit versuchen sie einzuholen. Noch kann sie diese Fieslinge abwehren. Doch als sie erfährt, dass erneut Mädchen verschwunden ist. Fallen sie förmlich über sie her.
“Die Wahrheit lag irgendwo begraben. Wartete auf jemanden, der Beweise freilegte, die Ereignisse offenbarte – bis sie sich zu einem schlüssigen Bild fügten.
In der Hinsicht hatte mein Vater recht. Was die Zeit anging. Die Vergangenheit war lebendig.” (S.45)
Während Nic nun alles aufarbeiten darf und gleichzeitig ihrem Vater helfen möchte, dürfen wir ihr nicht brav von A nach B folgen, sondern fangen mal bei Z an und arbeiten uns zu A vor. Das ist die Besonderheit, die das Buch ausmacht. Alles wird rückwärts erzählt. Klingt komisch und verworren. Funktioniert aber besser, als gedacht. So geht man innerhalb von fünfzehn Tagen komplett anders an ein Geschehen heran.
Angefangen bei dem aktuellen Vermisstenfall, zurück zu dem Verschwinden von Corinne, der damals besten Freundin von Nic. Ein Vorfall, der für zahlreiches Chaos und Veränderungen gesorgt hat. Selbst heute noch ist er nicht komplett aufgeklärt und jemand scheint mehr darüber zu wissen, als er preisgibt. Nur wer ist es und was ist vor zehn Jahren passiert?
“Der Wecker auf dem Nachttisch tickte. “Tick, tack, Nic.”” (S.297)
Ich wollte wissen, was sich hinter all dem verbirgt. Anfangs skeptisch, entwickelte sich rasch ein guter Lesefluss, da man tatsächlich ein Buch rückwärts lesen kann, ohne extrem verwirrt zu werden. Man lernt zahlreiche Gesichter kennen, ordnet sie ein und versucht Verbindungen herzustellen. An diesen Punkten gibt es für mich nichts zu kritisieren. Wie man jetzt schon heraushört, gab es dennoch Eckpunkte für mich.
Mein größtes Problem war, dass ich nicht mit den Figuren warm geworden bin. Egal in welcher Entwicklungsstufe sie sich befanden, sie wurden mir weder sympathischer noch bedeutsamer. Ich war lediglich an der Aufklärung des Falls interessiert. Dieser nimmt jedoch erst Gegend Ende einen großen Raum ein. Vorher dreht es sich eher um die Beziehungen der Charaktere untereinander. Die Auflösung selbst ist rund und passt zu den gesamten Vorkommnissen.
Abschließend hab ich das Buch mit einem lachenden und weinenden Auge zusammengeklappt. Lachend, wegen der wunderbaren Idee des Aufbaus und weinend, weil mir die Protagonisten einfach nicht zusagten und somit der Lesespaß flöten ging.
Genre: Crime / VÖ: November 2017 / Verlag: Penguin Verlag / Seiten: 430 / Serie: Einzelband
weitere Kritiken: Krimirezensionen, Angeltearz liest, Die Tipperin, …
erhältlich bei: hugendubel
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