Ein Tatortreiniger berichtet
“Mein Name ist Peter Anders. Ich bin 44 Jahre alt und arbeite als Tatortreiniger.” (S.16)
Wer macht eigentlich den Dreck weg? Also nicht den Dreck, sondern den Dreck. Die Überreste eines Leichnams, der wochenlang unentdeckt in einer Wohnung lag? Die blutigen Hinterlassenschaften eines Suizides? Das schwummrige Wasser in der Wanne, was so nicht in den Abfluss entlassen werden kann? Als erstes mag man hier an den Hausmeister denken. Schließlich kümmert er sich im Wohnungen, beseitigt Mängel und ist stets erreichbar. Allerdings kann und wird eine modrige Leiche mitsamt ihren Ausdünstungen, für ein dauerhaftes Trauma sorgen. Unzumutbar. Hier kommt also der Schotty ins Spiel.
Der wer? Na, der Schotty! Der Tatortreiniger? Kennt ihr den nicht? Sympathischer Geselle, der Tatorte jeglicher Art reinigt. Okay, zugegeben, er ist fiktiv. Peter Anders hingegen ist nicht fiktiv. Er gehört in Deutschland zu den wenigen Menschen, die diesen Beruf tatsächlich ausüben. Dafür gibt es keine Ausbildung in dem Sinne. Erfahrungen auf mehreren Gebieten sind äußerst von Vorteil. Feuerwehrmann, KFZ-Mechaniker, Reinigungskraft, Schädlingsbekämpfer und Rettungsassistent. All das steckt in dem Autor. Mit einem feuchten Lappen und Raumspray wird man nämlich keinen Leichengeruch los.
“[…] wir reden von einer mittelalterlichen Treppe aus altem Holz. Die ist extrem gut abgelagert, extrem gut ausgetrocknet und daher auch extrem saugfähig. Wenn da über Tage hinweg die Leichenflüssigkeit schön gleichmäßig drauftrieft und von Stufe zu Stufe hinunterrinnt, dann sagt die Treppe mit all ihren vielen alten Holzritzen: >Herzlich willkommen! Immer herein damit!<” (S.63)
Ende vom Lied: Diese Treppe musste teilweise ihre Stufen entbehren, da der Leichengeruch so stark eingezogen war, dass er sich nicht oberflächig beseitigen lies. Da hilft auch der Stempel “Denkmalschutz” nichts. Gleiches gilt für Zementböden, Steckdosenverkleidungen, Silikonfugen an Fenstern und selbst Seifen können den Geruch annehmen. Zwar gibt es spezielle chemische Reinigungsmittel, die vieles säubern und beseitigen können, aber manchmal hilft nur noch die Holzhammermethode. Dafür braucht man Erfahrung und körperliche Kraft. Was oft unterschätzt wird.
In dreißig kurzen Kapiteln nimmt uns Peter Anders mit hinaus an seine “Baustellen”. Er berichtet von dem Leidensweg der Erfahrungen, die er sammeln musste (Woher auch die Informationen nehmen?) und der Belastbarkeit, die man braucht. Hierbei ist nicht der körperliche Aspekt gemeint. Man riecht es, man sieht es, man kniet darin. Nicht immer ist es ein Mensch, der vergessen wurde und mitsamt seinen Flüssigkeiten und krabbelnden Mitbewohnern auf den Leichenwagen wartet. Manchmal sind es auch Tatorte. Wo Blut geleeartige Lachen gebildet hat, Gehirnmasse bunt an der Wand klebt und Körperteile in den Ecken liegen.
“Er verwest und verfault an unterschiedlichen Stellen seines Körpers gleichzeitig. Man kann sich’s ungefähr vorstellen wie bei einem Küchenlappen, den man nicht auswringt, sondern klitschnass zusammenknüllt auf die Spüle pfeffert und dort vergisst. Außen trocknet der Lappen halbwegs, aber innen modert das Ganze, und wenn man nach vier Wochen den Lappen hochhebt, stellt man fest: Er riecht zum Wegschmeißen.” (S.36)
Die Beschreibungen sind recht blumig. Neben alltäglichen Gegenständern, zieht er gerne Lebensmittel für das Kopfkino heran. Erklärt auf diesem Weg, wie ein Ort auf ihn gewirkt hat, wie Verwesungsprozesse funktionieren, oder wie das Gefühl ist, tote Fliegen zusammenzukehren, die sich zu Tausenden an solchen Orten tummeln. Ich sag hier nur Himbeerjoghurt und Puffreis. So makaber es im ersten Moment klingen mag, genau diese Vergleiche sorgen dafür, dass man genau weiß, wovon er spricht. Ganz ehrlich? Respekt! Ich möchte diesen Beruf nicht ausüben. Vielleicht einmal helfen und es selbst erleben, aber nicht jahrelang.
Das ist wieder ein Buch, welches komplett ohne Bilder auskommt. Was auch gut so ist. Zudem werden keine Namen genannt, sondern nur die Umstände beschrieben, die entweder alltäglich oder eine Rarität sind. Letztendlich übermittelt der Autor ein gutes Bild von seiner Arbeit. Man steht förmlich neben ihm und wartet auf seine Vergleiche mit Lebensmitteln, die den Ort des Leichnams passend beschreiben. Dieser Humor ist übrigens nicht fies und makaber, ganz im Gegenteil. Eher trocken, nüchtern, sachlich und auf das Wesentliche beschränkt. Passend zur Situation eben, die man schließlich irgendwie verarbeiten muss.
Ich fand diesen realistischen Einblick in den Beruf des Tatortreinigers äußerst gelungen. Zwar ist mir das Szenario nicht gänzlich unbekannt, aber diese Anekdoten aus dem Nähkästchen haben mein Wissen doch um einiges erweitert. Das zweite Buch von Peter Anders wird sicherlich zeitnah bei mir einziehen! Wer an dieser Stelle übrigens noch mehr über den Beruf erfahren möchte: Es gibt ein paar kurze Dokumentationen mit dem Autor im Netz zu finden (z.B. zdf info) oder, wer es einmal anders angehen möchte, sollte den “Tatortreiniger” mit Bjarne Mädel schauen. Schotty dient zwar eher der Unterhaltung, als dem Wissenseffekt, aber wieso einen Beruf nicht einmal so kennenlernen?
>> Ein absoluter Lesetipp. Mit einer guten Prise trockenem Humor, wird hier der Beruf des Tatortreinigers absolut lebhaft dargestellt.
Steckbrief zu Peter Anders
*1966
– Feuerwehrmann, Rettungsassistent
– seit 1997 eigene Firma namens “asd München”
VÖ: 2011
Verlag: Heyne
ISBN: 978-3453601840
Kaufen: als Print oder ebook erhältlich
Genre: wahre Verbrechen in Deutschland
Beruf: Tatortreiniger[/tab]
– Kein Job für schwache Nerven (2013)
[…] – „Was vom Tode übrig bleibt“ von Peter […]
Joa, muss ich haben..eh klar XD
Wir haben ja eh schon darüber geschrieben, aber ich wiederhole es nochmal. Ich finde den Humor vom Autor Klasse ;-)
Meine Güte, Du Sonnenschein bringst Finsternis auf mein Konto *g*
Liebe Grüße
Conny
Hach, für Sonnenschein auf deinem Konto bin ich doch gern verantwortlich *muhahaha*
XD