On August 20, 1917, I, Karl Heinrich, Graf von Altberg-Ehrenstein, Lieutenant-Commander in the Imperial German Navy and in charge of the submarine U-29, deposit this bottle and record in the Atlantic Ocean at a point to me unknown but probably about N. Latitude 20 degrees, W. Longitude 35 degrees, where my ship lies disabled on the ocean floor. [H.P. Lovecraft – The Temple]
Das ist der Einstieg in “Der “Tempel” von H.P. Lovecraft. Auf dieser Geschichte basiert “Heiligtum“. Allerdings haben die Autoren den Comic in eine andere Zeit versetzt. Hier schreiben wir das Jahr 1945. Mitten im zerstörten Berlin, finden die Russen geheime Schätze. Schätze, die die Nazis wie Gold gehörtet haben. Egal ob es ihnen gehörte oder nicht. Sumerische Schriften und seltsame Skulpturen lagern in einem riesigem Gewölbe. Aber auch die Russen sind nicht ohne. Es kommt zu einem kurzen Gefecht, dicht gefolgt von einem Zeitsprung in das Jahr 2029.
Die USS Nebraska, ein U-Boot, ist zu einer Überwachungsmission im Mittelmeer unterwegs. Plötzlich erreicht sie ein Echo. Allerdings in so einer Tiefe, dass es unmöglich stimmen kann. Dennoch geht man dem auf den Grund und findet tatsächlich ein gestrandetes U-Boot. Ein erster Check zeigt: Hier geht keine Gefahr von aus, die Taucher können hinein und den Ursprung des Echos suchen. Was sie dort allerdings zu Gesicht bekommen überrascht die Besatzung.
Zahlreiche Leichen, gefesselt an Betten und Dokumente, die die Männer ins Grübeln bringen. Trotzdem kann man sich nicht so recht erklären, warum und wie dieses alte U-Boot dort gelandet ist. Ob die antiken Tafeln Aufschluss darüber geben können? Außerdem befindet sich in der Nähe des Fundortes eine Art unterirdischer Tempel. Ist er der Grund? Fragen über Fragen, die man natürlich geklärt haben möchte. Zwar hat man als Lovecraft-Nerd ein gewisses Vorwissen und kennt die Basis der Story, das heißt aber nicht, dass die Künstler es 1:1 umgesetzt haben.
Entsprechend war ich neugierig auf die Umsetzung und natürlich gibt es Mord- und Totschlag. Hass und Missgunst geben sich die Klinke in die Hand, genauso wie Versprechen und Verrat. Alles, was eine spannende Story gut gebrauchen kann, um LeserInnen an das Werk zu fesseln. Theoretisch hat das bei mir funktioniert. Praktisch hatte ich einige Stolpersteine. So bin ich mit der Zeit Gesichtsblind geworden. Der Dokor hat eine Brille auf, Kommandant A hat einen Bart, der Nächste nicht und der andere auch nicht und die Haare sind eh alle gleich, genauso deren Mimik.
Somit kam ich ins Stolpern und versuchte den roten Faden nicht so verlieren. Der war irgendwann nicht mehr die reine Mainstory, sondern der Doktor. Der einzige Mann an Bord, der rational zu denken scheint und vernünftige Worte von sich gibt. Oh und er hat eine Brille auf, sein Markenzeichen! Damit konnte ich meinen roten Punkt überall erkennen.
Eckdaten (Anzeige)
216 Seiten
2020 veröffentlicht bei Splitter Verlag*
Gesamtausgabe (1-3)
komplett in Farbe
von Xavier Dorison (Writer) + Christophe Bec (Art)
auch besprochen bei Ariane “Heiligtum – Band 1*”
An der Stelle möchte ich noch zwei positive Aspekte hervorheben, damit nicht alles so schlecht klingt: Die Farbgebung ist wirklich genial. Man fühlt sich unter Wasser, spürt die Weite und Tiefe. Es ist dunkel, düster und beklemmend. Zeitweise etwas eindimensional, was schade ist, bei so einem Stoff. Zumal man auf den Skizzen im Bonusmaterial das Potenzial sieht. Warum das so im Endprodukt nicht immer zu sehen ist, kann ich nicht beantworten.
Der zweite Punkt sind die Cuts in die Vergangenheit. Während die Basis – das “Gute” – mit weißem Hintergrund von den Panels arbeitet, ist dieser bei den Rückblicken und dem “Bösen” stets schwarz. Da man die Frequenzen nicht anders ankündigt, wie mit der Einblendung einer Jahreszahl oder ähnlichem, ist dieser Konstrast eine gute Hilfe. Und noch etwas: Es gibt eine Katze! Muhahaha! Katzen sind immer toll.
“Heiligtum” war mein erster bewusster Bec. Ich kannte seinen Zeichenstil ansonsten nur aus Vorschauen und nun habe ich ihn einmal “live” gesehen. Ich bin kein großer Freund von seinem Stil. Da mich die Story allerdings aus der Reserve gelockt hatte, ist er bei mir eingezogen. Nachdem ich die über 200 Seiten verschlungen hatte, war ich enttäuscht. Nicht nur, dass die Mimiken zeitweise echt grausam sind und so gar nicht so dem gesprochenem Wort passen, was haben sich die beiden Künstler bei dem Ende gedacht? Ein wenig over the top.
“The Temple” ist eine wunderbare Geschichte von Lovecraft, die bis auf das absurde Ende hier gut neu interpretiert wurde. Kann ich jetzt “Heiligtum” bedenkenlos empfehlen? Leider nein. Die negativen Aspekte wiegen letztlich zu schwer. Wer allerdings ein Fan von Bec ist, der wird hier sicher seine Freude haben! Ich frage mich jetzt nur: Zeichnet Bec immer solche Gesichter? Schließlich hat er zahlreiche Werke veröffentlicht und so manches könnte mich noch einmal hinter dem Ofen hervorlocken…
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