Heute widme ich mich einem Mangaka, der hier in Deutschland nahezu unbekannt ist. Dabei sollte man sich seine Werke durchaus etwas näher anschauen und seinen Werdegang begutachten. Wer allerdings keine japanischen Schriftzeichen lesen kann, hat da schlechte Karten. Also passt es perfekt, dass der Reprodukt Verlag nun “Rote Blüten” auf den deutschen Markt gebracht hat. Allerdings erst nach vielen Jahren. Nachdem sich der Sohn des Mangaka dessen Werken angenommen hat und somit (endlich) die Rädchen der Veröffentlichungen in Gang gesetzt hat.
Bevor ich noch mehr über den Autor und sein Schaffen berichte, möchte ich erst einmal das fast 400 Seiten umfassende Werk vorstellen. In zwanzig Geschichten bringt Yoshiharu Tsuge Alltagsgeschichten, wichtige Entscheidungen, persönliche Tiefgänge und erschütternde Erkenntnisse ans Tageslicht. Die Handlungen dauern teilweise nur wenige Seiten und manchmal bekommen sie etwas mehr Freiraum, um sich entfalten zu können.
Der Mangaka arbeitet dabei nicht immer mit direkten Worten, sondern man muss es sich als Leser selbst zusammenreimen, was er einem durch die Blume zu verstehen geben möchte. So geht es bei “Rote Blüten” um eine junge Frau, die ihre Periode hat. In “Der Sumpf” um seltsame Gelüste, die ein Mann zu verstehen versucht und in “Der Salamander” gibt eben jener, einen Blick auf unsere Welt, aus Sicht einer Amphibie. Mit nicht minder wenigen Seitenhieben auf die weltliche Anschauung.
Allerdings gibt es auch kleine Geschichten, wo ich nicht verstanden habe, was mir Tsuge sagen wollte. Diese blieben mir verschlossen, da ich die kryptischen Hinweise leider nicht deuten konnte. Somit waren es “nur” kleine nette Erzählungen gewesen. Damit schlage ich direkt die Brücke zum Zeichenstil, dieser verändert sich nämlich. Man spürt die Entwicklung, die der Mangaka durchgemacht hat. Welche Phasen sein Leben und sein Schaffen geprägt haben.
1937 geboren, begann er im Alter von 17 Jahren für Leihbüchereien Manga zu zeichnen um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Diese schlossen in den 60er Jahren.
Somit wurde er arbeitslos, depressiv und versuchte sich das Leben zu nehmen.
Der Versuch scheiterte und er begann Blut gegen Geld zu spenden.
Sein Stil wurde durch Osama Tezuka (Astro Boy, Kimba) und dem Gegika Stil beeinflusst, welcher nicht einfach so in sein Leben schlich. Schließlich war er u.a. Assistent bei Shigeru Mizuki, welcher als einer der Vorreiter des erwachsenen, realistischeren Stils gilt. So wurden die Gesichter mit der Zeit eckiger, verloren ihre Rund- und somit Niedlichkeit. Menschen sehen mehr aus, wie Menschen und nicht humorvolle kleine Figuren.
“Rote Blüten” beginnt mit “Chiko” aus dem Jahr 1966 und endet mit “Oba Galvanik” von 1973. Allein in diesen sieben Jahren macht der Zeichenstil einen beachtlichen Wandel durch. Leider hört Tsuge im Alter von nur 50 Jahren komplett mit dem Zeichnen auf. Somit kann man nur hoffen, dass der Reprodukt Verlag noch mehr Werke an Land ziehen kann, damit wir diesem Künstler mehr Beachtung schenken können.
Gegika Stil – erwachsener, ernster, düsterer Stil, der eher Männer ansprechen sollte, Abgrenzung von den “witzigen” Manga gewünscht, Höhepunkt in 60er Jahren, Hauptthemen waren die Revolution oder der Klassenkampf
Auch wenn nicht jede Geschichte sich mir offenbart hat, so mochte ich den Stil und die Herangehensweise an die so unterschiedlichen Themen. Es ist die Liebe zu kleinen Details, den wenigen Worte, den kleinen Gesten, der Schlichtheit und zugleich großen Weltanschauung des kleinen Mannes oder Frau. Er sticht damit aus der Masse hervor und braucht sich gar nicht zu verstecken. Damit möchte ich auch keinen Geheimtipp ausprechen, solche Werke sollten nämlich nicht geheim bleiben, sondern eher zum Lesetipp mutieren!
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*erschienen November 2019 bei Reprodukt*
*398 Seiten in Schwarz/Weiß
*weitere geplante Bände: “Der nutzlose Mann” (Juli 2020)
*ähnliche Werke: “Tante NonNon” / “Lady Snowblood” / “Auf in den Heldentod“
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