von Helene Flood
Gelesen & unter die Lupe genommen: “Die Psychologin”.
Worum geht es?
Sara ist Psychologin. Gerade Anfang 30 und frisch mit ihrem Mann in ein Haus gezogen, welches sie nun in Eigenregie renovieren und nach ihren Bedürfnissen umbauen. Dazu gehört auch eine kleine Praxis eigens für Sara. Das Leben der beiden könnte nicht besser laufen. Scheinbar. Denn hinter der Fassade bröckelt es sachte. Ist das der Grund, warum ihr Mann Sigurd plötzlich spurlos verschwindet?
Der Gärtner wars!
Wenn es nur so einfach wäre. Und anfangs schaut es wirklich simpel aus: Sigurd will mit seinen beiden Freunden ein paar nette gemeinsame Tage verbringen. Nichts ungewöhnliches. Ein kurzer Männertrip zum Angeln. Es folgt ein kurzer Anruf auf die Mailbox, dass er heile angekommen ist und Spaß hat. Wieso also skeptisch werden?
Vielleicht liegt es daran, dass Sara ihren Mann danach nicht mehr telefonisch erreicht? Plötzlich sein Telefon aus ist (oder die Mailbox voll)? Die Freunde Sigurd nicht gesehen haben? Der Anruf auf der Mailbox ein Fake war? Sie im Haus das Gefühl hat, nicht mehr allein zu sein? Die Polizei versucht ihr zu erklären, dass sie überreagiert. Schließlich gibt es keine Beweise für Fremdverschulden. Und Sigurd? Der brauchte bestimmt eine Auszeit und meldet sich!
Die alte Leier oder etwas neues?
Selbst wenn es die alte Leier ist, das Rad kann schließlich auch nicht neu erfunden, aber neu ausgeschmückt werden! Somit war ich von dem erzählerischem Aufbau, dem psychologischen Aspekt und dem Spannungsbogen anfangs wirklich begeistert. Ich klebte an Saras Lippen und wollte wissen wie sie weiter vorgeht.
Es war zu spüren, dass sie etwas in sich zurückhält und nur eine Frage der Zeit ist, bis es aus ihr herausplatz. Dann kommt der erste Peak des Erzählstranges. Es gibt Informationen zu Sigurd und plötzlich … plötzlich fällt das Spannungskartenhaus radikal in sich zusammen.
Ich sitze mit einer Tasse Kaffee an der Kücheninsel. Ich trage noch meine Schlafsachen. Geduscht habe ich auch noch nicht. Und niemanden angerufen. Leute haben mich angerufen […] aber ich bin nicht ans Telefon gegangen. Ich warte einfach nur.
Zitat, S. 95 aus “Die Psychologin”
Saras Gedanken, ihre Emotionen sind für mich in der ersten Hälfte des Buches absolut nachvollziehbar. Ich kann ihre Traurigkeit, die Mutlosigkeit gemischt mit Hoffnung und zeitgleich der Wut förmlich schmecken.
So etwas ist eine feine Leseerfahrung. Und sicher für so manche lesende Person ein Trigger, da es einen runter zieht.
Nur dann kommt eben der Wendepunkt. Ab da wird es dröge und die Augen wollen schneller lesen, als der der Kopf. Sie rufen nach Abwechslung, weniger Monotonie und einem neuen Spannungsbogen. Der kommt nicht. Also nicht wirklich. Nur so halb. Natürlich folgt eine Auflösung und das Finale selbst rüttelte mich dann etwas wach, der fade Beigeschmack auf der Zunge bleibt allerdings.
Fazit
Das Buch startet wirklich gut! Selten ein Buch gelesen, was einen so runter zieht und gleichzeitig wunderbar unterhält. Dieses Erzähllevel komplett durchgezogen und das Buch wäre wohl ein Lesehighlight geworden. Doch diese Zwischenfrequenz und ein paar Klischeecharaktere machen ein Drittel des Buches madig.
Da hilft auch die ansprechende Optik des Buches nicht weiter. Es kommt nämlich mit einem Lesebändchen und Schriftzug an der Buchseite daher.
Von mir gibt es an dieser Stelle keine Empfehlung. Dann lieber zu einem anderen Buch greifen, welches nicht nach der Hälfte einen fiesen Hänger hat und sich nicht mehr zu seiner vollen Größe aufrappeln kann.
Schreibe den ersten Kommentar