06. bis 11. Juni 2023 in Frankfurt a.M.
Nachdem ich letztes Jahr zum ersten Mal die Nippon Connection vor Ort besucht hatte, wollte ich dieses Jahr mehr davon. Passenderweise konnte ich mir frei nehmen und hatte quasi die Qual der Wahl: An welchen Tagen wollte ich hinfahren?
Alle Tage waren keine Option für mich. Das wäre bzw. ist mir zu stressig. Zwei Tage Filme? Damit würde ich zurecht kommen. Somit wurde es der Mittwoch und Donnerstag.
Next step: Die Filme aussuchen.
Holy moly … was war das schwierig. So viele gute Filme dieses Jahr. Glücklichweise kannte ich den main movie bereits. Somit legte ich meine Fokus auf andere Aspekte. Was ich ausgewählt habe, seht ihr unten.
Hier geht es zu meinen Beiträgen aus den Vorjahren:
2020 – zum Beitrag*
2021 – zum Beitrag*
2022 – zum Beitrag*
Die Nippon Connection* fand vom 06. bis 11. Juni in Frankfurt am Main statt.
Der Schwerpunkt lag auf “Cityscapes an Countrysides”.
Knapp 100 Kurz- und Langfilme standen zur Verfügung. Wie jedes Jahr sind die Rubriken hier stets breit gefächert. Sei Dokumentation, Animationsfilm, Independent Cinema oder Blockbuster. Debüts sind genauso gern gesehen, wie der Nostalgiefaktor.
Als Stargästin war Toko Miura vor Ort. Sie hat bereits in einigen Filme mitgespielt (Lesson of Evil) oder Figuren ihre Stimme verliehen (Weathering with you). Wobei das neuste Werk “Drive my Car” eher in aller Munde sein könnte, schließlich gewann dieser Anfang des Jahres bei den Oscars unter anderem als bester internationaler Film.
geschaute Filme am Mittwoch
Remembering every Night (2022)
Rubrik: Nippon Visions
Regie: Yui Kiyohara
Länge: 116 min
Worum geht es?
Sommer. Ein Wohnviertel außerhalb Tokios. Tama New Town. Drei Frauen, unterwegs in der Stadt.
Unterschiedliche Beweggründe ziehen sie an diesem warmen Tag nach draußen. Sie kennen sich nicht und dennoch … stetig kreuzen sich ihre Wege. Unbewusst. Sie nehmen einander wahr ohne das Leben der anderen zu kennen.
Der Film beobachtet. Still, leise, zurückhaltend.
Er gleicht einem Sommerspaziergang und wir schauen dabei zu. Manche Elemente wiederholen sich, bilden einen kleinen Leitfaden, während der Tag seinen Lauf nimmt.
Von Sonnenaufgang bis Untergang.
So ruhig die knapp zwei Stunden sind, langweilig wurde mir nicht. Ein Drama, dass einen Beobachtungsposten einnimmt, weder beurteilt noch verurteilt und uns einen kurzen Einblick in das Leben dieser drei Frauen gibt.
December (2022)
Rubrik: Nippon Cinema
Regie: Anshul Chauhan
Länge: 99 min
Worum geht es?
Kana sitzt seit sieben Jahren im Gefängnis. Sie hat ihre Mitschülerin ermordet. Nun soll ihr Fall neu aufgerollt werden. Denn sie war damals noch minderjährig und wurde nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Zu 20 Jahren. das findet ihr Anwalt nicht angemessen.
Die Eltern der Ermordeten hingegen schon oder doch nicht?
Ein zweiter Blick auf den Fall offenbart Details, die damals nicht offengelegt wurden. Ob das reicht, um die Gefängnisstrafe zu mildern?
Filme, deren Schwerpunkt auf Gerichtsverfahren liegt, sind nicht gerade meine Lieblingsrubrik. Hier reizte mich die Thematik der Ungerechtigkeit.
Es hat sich gelohnt. Auf der einen Seite ruhig und klar, auf der anderen emotional aufgeladen und hektisch. Ein Mix, der bewusst macht, wie schwierig ein klares Urteil ist.
Kleiner Randfakt: In Japan wird bis zum 20. Lebensjahr nach dem Jugenstraftrecht verurteilt.
A far shore (2022)
Rubrik: Nippon Cinema
Regie: Masaaki Kudo
Länge: 128 min
Worum geht es?
Aoi ist Mutter einen 2jährigen Sohnes, liiert mit einem arbeitsunwilligem Freund, Escort-Dame in einem Nachtclub und minderjährig. Eine durchaus ungünstige Kombination. Jedoch in Okinawa keine Seltenheit. Um dem zu entkommen, legt sie Geld beiseite, hofft auf eine bessere Zukunft.
Doch dann eskaliert alles.
Gewalt, Wut und die Armut kicken mit einem Schlag in die Magengrube. Als letzten Ausweg geht sich noch einen Schritt weiter und bietet ihren Körper an. Aber ist das wirklich die Lösung?
Kennt ihr dieses Meme? Musste bei diesem Film daran denken…
Ich habe Aoi von Anfang an emotional voll begleitet. Sie ist eine Kämpferin. Sie liebt ihren Sohn. Glaubt ihren Freund zu lieben und hat Spaß mit ihren Freundinnen. Doch die Bitterkeit ihrer Lebensumstände ist so hart, dass es irgendwann auch ihr schwer fällt positiv zu bleiben.
Der Film ist schwermütig, herzzerreißend und mein Highlight der Nippon Con.
geschaute Filme am Donnerstag
Gold Kingdom and Water Kingdom (2022)
Rubrik: Nippon Animation
Regie: Kotono Watanabe
Länge: 117 min
Worum geht es?
Die Königreiche Alhamit und Baikari sind verfeindet. Zwar liegen sie Grenze an Grenze und könnten sich mit ihren Ressourcen wunderbar ergänzen, doch Unstimmigkeiten über Jahrzehnte hinweg, haben einen unsichtbaren Graben wachsen lassen.
Regelmäßig werden Hochzeiten arrangiert. Alles läuft seinen Gang. Doch in diesem Jahr will irgendwer einen Krieg anzetteln. Allerdings hat diese Person nicht die Reaktionen der “Opfer” einkalkuliert. Prinzessin Sara und der Gelehrte Naranbayar.
Beides Menschen, die unterschiedlichste Dinge erleben mussten, hat es nun in der Hand die beiden Nachbar-Königreiche zu versöhnen.
Zauberhafte Kulissen, charmante Figuren und gelungener Humor. All das lässt sich in diesem Anime finden. Vor allem der Humor ist es, der die “alte” Geschichte zweiter verfeindeter Häuser aufwertet. Zudem packt die Regisseurin Gesellschaftskritik mit hinein, was ich bei solchen Werken stetig begrüße. Einen Blick ist dieser Anime auf jeden Fall wert!
Amiko (2022)
Rubrik: Nippon Visions
Regie: Yusuke Morii
Länge: 104 min
Worum geht es?
Amiko ist eines dieser Kinder, die voller Energie sind, die Aufmerksamkeit brauchen und diese notfalls forsch einfordern. Ihr Vater geht arbeiten, der ältere Bruder lebt sein Leben und die hochschwangere Mutter geht ihr aus dem Weg.
Keine gute Grundvorraussetzung.
Ausgegrenzt wird sie allerdings nicht nur daheim, in der Schule ergeht es ihr nicht anders. Dann bricht ein Unglück über die Familie herein. Statt Amiko in die Thematik Tod einzubinden, wird sie weiter davon geschoben, was für das kleine Energiebündel keine positiven Auswirkungen hat.
Der Film zeigt sehr schnell, wie viel Energie, Leben und Frustration in dem jungen Mädchen steckt. Das äußert sich vor allem in lauter verbaler Aussprache und kleinen Gewaltattacken.
Ich konnte ihre Verzweiflung greifen. Sie will doch nur gesehen und geliebt werden. Das wird gelungen herüber gebracht. Nur … ich wurde mit der Schauspielerin Kana Osawa und ihrer Stimme absolut nicht warm.
Sayonara, Girls (2022)
Rubrik: Nippon Visions
Regie: Shun Nakagawa
Länge: 120 min
Worum geht es?
Der letzte Abschlussjahrgang an der Shimada Schule. Vier junge Teenagerinnen durchleben stellvertretend für den kompletten Jahrgang die letzten zwei Schultage. Da ist die Aufregung vor dem neuen Lebensabschnitt, der Abriss des Schulgebäudes, das Wegziehen in die Großstadt (oder auch nicht), das Auffrischen von Liebesbeziehungen und Freundschaften, sowie dem Gegenteil.
Alles in allem wird ihr Leben, der letzten drei Jahre reflektiert.
Was nicht sonderlich aufregend klingt birgt einige Überraschungen. Dieser Film ist bei weitem nicht so vorhersehbar und kalkulierbar, wie die Summary glauben lässt.
Mit leisen Tönen wird ein Spiegel vorgehalten, ohne leise zu sein. So kann es passieren, dass emotionale Momente mehr einhauen, als gedacht.
Für mich mein zweites Highlight der Nippon Con 2023!
Meine Abschlussworte
Unbewusst habe ich mir nur Filme mit starken Frauenrollen herausgesucht. Zudem ist der Anime von einer Regisseurin, ebenfalls (noch) eine Seltenheit auf dem japanischen Anime-Markt.
Es hat sich kein einziger Flop eingeschlichen, was mich wirklich gefreut hat.
Die Filmauswahl war dieses Jahr ein Traum – einen Dank an die Orga.
Zwei Tage Japan. Zwei Tage Frankfurt. Zwei Tage mit sechs Filmen.
Zwei Tage lecker (japanischem) Essen bei bestem Ambiente und Wetter.
Ich komme gerne wieder!
Ein kleiner Kritikpunkt bleibt: Es gab dieses Jahr keine on demand service. Das finde ich schade und einen Grund konnte ich bisher nicht finden.
Liebe Nippn Con Orga, bitte nehmt das wieder rein! Selbst wenn es nicht das ganze Programm ist, sondern nur eine Auswahl. Das wäre das Sahnehäupchen des Events.
Alle Filme der Nippon Connection 2023 klick*
Abschließend noch ein paar optische Eindrücke aus Frankfurt. Mein Schwerpunkt lag auf “Filme gucken” und nicht dem fotografieren, daher sind nicht viele Bilder entstanden. Auf dem zweiten Bild ist der Regisseur von “A far shore” zu sehen. Masaaki Kudo.
Info:
Als der Beitrag erstellt wurde, war die Con noch im Gange und somit wurde der Nippon Cinema Award bisher nicht verliehen. Nominiert sind alle Filme aus der Rubrik “Nippon Cinema” und alle, die die Filme vor Ort geschaut haben, durften jeweils ihre Stimme abgeben.
Auf das Ergebnis bin ich diesmal wirklich gespannt.
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