“Ich brauche dringend etwas zu trinken.” [S.7]
Normal macht man sich bei so einer Aussage keinen Kopf. Jeder Mensch braucht Flüssigkeit. Wasser ist hierbei natürlich am besten geeignet um seinen Durst zu stillen. Doch sobald in Moskau, dieser Satz fällt, denkt man schon weiter. Viel weiter. Denn die Stadt ist in der Zukunft nicht mehr das, was sie einst war. Dicke grüne Pflanzenstängel ragen zum Himmel hinauf. Verdunkeln alles, was sich auf der Erdoberfläche abspielt. Anstatt der herkömmlichen Unterteilung der Gesellschaft, in die Mittelschicht, Armen und Reichen. Kommt es nun noch drastischer zum Ausdruck, ob man Geld besitzt oder nicht. Wer im Dunkeln haust, kein Tageslicht abbekommt und sich von dem Fleisch der schuppigen Pflanzen ernährt, lebt in der untersten Schublade. Die Mittelklasse hat zwar Geld und Ansehen, doch auch sie müssen mir spärlichem Licht auskommen. Wer dagegen Macht ausstrahlt, darf sich die Sonne theoretisch 24h auf dem Pelzen scheinen lassen. Man merkt schon: Moskau lebt in Hochhäusern. Je höher man wohnt, umso besser ist der Lebensstandart. Doch ist man deshalb besser dran?
In Russland gibt es eigentlich keine Möglichkeit woanders zu wohnen als in der Megalopis Moskau. Ein Drittel der Erde ist eh überschwemmt, Amerika ist schon lange nicht mehr so mächtig, wie einst und die Chinesen gehen seltsame Geschäfte mit ihren russischen Nachbarn ein.
Warum sich also von Pflanzen stören lassen? Auch wenn es XXL-Grashälme sind, sie sich wie Unkraut vermehren und gegen alle Zerstörung immun zu sein scheinen. Sie bringen Nahrung. Offiziell ist es zwar verboten das Fruchtfleisch zu essen. Doch es ist so nahrhaft und reicht vollkommen aus, um durchs Leben zu kommen. Man braucht nur noch Wasser zum trinken. Wer also viel trinkt, nimmt sehr wahrscheinlich das grüne Zeug zu sich. Auch die höheren Etagen sind dem nicht gefeit. Anstatt es jedoch roh zu essen, nehmen sie es in hochkonzentrierter Form zu sich. Schadet schließlich nicht.
Indes macht der Journalist Saweli Herz eine seltsame Entdeckung und diese könnte das komplette Gleichgewicht ins Wanken bringen.
Saweli lebt mit seiner Frau in der Mittelklasse. Er ist ein erfolgreicher Journalist eines angesehenen Magazins und kann nicht über sein Leben klagen. Zwar würde er gerne in den obersten Etagen der Nobelelite wohnen, doch dafür reicht sein Gehalt nicht aus. Zudem erwarten die beiden ein Kind und für dessen Zukunft muss er eh etwas mehr Geld horten. Die Glücksfee scheint allerdings seine stummen Gebete erhört zu haben. Eines Tages wird er von seinem Chef in dessen Büro geordert und er wird zum neuen Chefredakteur befördert. Auf der einen Seite freut er sich tierisch über dieses Angebot und hat auf der anderen Seite gleichzeitig Angst zu versagen. Aber dann er erfährt er brisante Details über die gigantischen Pflanzen und stürzt sich voller Eifer in die Arbeit. Wenn das ans Tageslicht kommt, was er gehört und gesehen hat, würden einige Menschen aufgerüttelt werden müssen. Die Zukunft würde sich verändern. Nein. Diese hat sich schon verändert. Sie würde nur anders auf Moskau zukommen, als erhofft.
Andrej Rubanov legt hier ein interessantes Werk vor, wie ich es selten bei einem Science-Fiction Roman erlebt habe. Selten waren alle Komponenten so durchdacht und komplex gewesen, wie hier. Das fängt der bei der genauen Beschreibung der Lebensumstände an, geht über die verworrenen Machenschaften zwischen China und Russland, bis hin zu der Selbstverständlichkeit, dass da nun mal riesige schuppige Pflanzen wachsen. Man kann sich nun auch denken, dass man sich darin verlieren kann. Das passiert auch. Ungefähr in der Mitte hat die Handlung einen Hänger. Es wird zäh und spröde. Man muss sich zusammenreißen und konzentriert weiterlesen um endlich das Ende präsentiert zu bekommen. Doch es lohnt sich. Die Story ist interessant aufgemacht und man entwickelt eine kleine Hassliebe zu Saweli, welcher sein Herz nicht immer am rechten Fleck trägt. Zu seinen ganzen Begleitern hätte man gerne ein paar mehr Details gewusst, damit sie nicht so blass erscheinen. Da hat sich Rubanov wohl zu sehr auf seine Pflanzenwelt konzentriert.
Die russischen Namen sind anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber über diesen Stolperstein ist man schnell hinweg. Viel eher blieb mir der Buchtitel in Erinnerung. Es ist ein Mix aus dem Wort “Chloro” und “Filija”. Was “chloro” bedeutet wissen sicherlich die meisten, es kommt schließlich auch in dem Begriff Chlorphyll vor. “Filija” hingegen ist etwas schwieriger. Es ist kroatisch und bedeutet “philie”. Der Freund. Man füllt sich zu etwas hingezogen. Was in diesem Zusammenhang auch der Wahrheit entspricht. Die Menschen in “Chlorofilija” fühlen sich zu der grünen Farbe der Grashalme hingezogen. Werden geradezu süchtig danach und können sich ein Leben ohne dieses Nahrungsmittel nicht mehr vorstellen. Egal wie zerstörerisch er in der Stadt wütet.
Das steht in einem harten Kontrast zu der eigentlich hochentwickelten Welt in der man sich befindet. Wo jeder Mensch einen Chip besitzt, wo niemand jemanden etwas schuldig ist und Bargeld ein uraltes Relikt ist.
Alles in allem hat mich dieses Buch überzeugt. Wer Science-Fiction liebt, wird an diesem Werk nicht vorbeikommen. Mich hat vor allem die Komplexität angesprochen. Die Handlung lebt von den detailreichen Ausführungen, die nur einmal etwas überhand nehmen und zäh werden. Das Ende passte stimmig zum Buch und war in Ordnung. Hier und da sind mir ein paar Fragen beim lesen vor die Nase gesprungen, die nicht alle logisch beantwortet wurden, einfach weil Lücken zwischen manchen Handlungsprüngen aufklafften, die nicht immer gefüllt werden konnten.
Dennoch empfehle ich allen, die futuristische Bücher mögen, hier reinzuschnuppern!
Genre: Thriller, Science Fiction / VÖ: November 2014 / Verlag: Heyne / Serie: Einzelband / Region: Russland, Moskau
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