|Crime| “Zerschunden”

Ein makaberer Serienkiller macht Berlin unsicher.

Trotz großem Stress in der Gerichtsmedizin nimmt sich der Rechtsmediziner Doktor Fred Abel diesem Fall an. Warum, fragt man sich jetzt sicher, schließlich ist er Mediziner und nicht Detektiv. Der Grund für diesen Alleingang ist seine Freundschaft mit dem vorläufig festgenommenem Tatverdächtigen. Es will so gar nicht recht in das Bild passen, was Abel von seinem alten Armee-Freund Moewig hat. Jeder hat mal kleine Ausraster, aber deswegen ermordet man nicht direkt zahlreiche Frauen und hinterlässt Nachrichten auf ihrem Körper. Zudem hat Lars Moewig eine kleine Tochter die im Sterben liegt, die er aber nun auf ihrem letzten Gang nicht begleiten kann. Da er in Untersuchungshaft sitzt. Eine schwierige Zwickmühle, aus die ihn der Rechtmediziner befreien will. Doch dazu muss er erst einmal den wahren Täter finden und diese Suche geht weit über die deutschen Grenzen hinaus.

Na, wer entdeckt in dem kleinen Abschnitt die zahlreichen Fehlerchen und bekannten Ausgangssituationen? Fangen wir ganz vorne an: Fred Abel ist ein vielgefragter Gerichtsmediziner, der natürlich im Stress ist, aber immer Zeit für seine besten Freunde hat. Dummerweise ist er aber Mediziner. Aber das macht ja nichts, dies ist schließlich eine fiktive Geschichte und da kann ein schlauer Kopf auch zum ermittelnden Beamten werden. Witzigerweise spricht ihn nur ein einziges Mal im ganzen Buch jemand direkt auf diese Situation an, dass er wohl den falschen Berufszweig gewählt hat. Der restliche Kollegenkreis scheint das Verhalten scheinbar recht normal zu finden. Neugieriger Rechtsmediziner halt.

Kommen wir zum nächsten Punkt: Ex-Soldat. Ich höre die Klischeeglocken läuten. Natürlich muss der Bekannte Soldat gewesen sein. Er hätte auch Ex-Polizist gewesen sein können. Hauptsache etwas, wo er strategisch im Beruf vorgehen muss und sich mit Waffen auskennt. Aber darüber kann man großzügig hinwegschauen. Wäre das nicht der Fakt, dass er eine kriselnde Beziehung hat und die Tochter im Sterben liegt. Drama pur. Man ahnt hier schon, dass das einen gewaltigen Einfluss noch haben wird.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass das Buch keineswegs total schlecht gewesen ist. Aber wenn man schon im Klappentext mit so vielen Klischees bombardiert wird und diese Linie im Buch auch konsequent durchgezogen wird, muss man es einfach erwähnen.
Denn natürlich hat “Zerschunden” auch eine sehr informative Seite, was man bei dem Schriftsteller irgendwie auch schon fast erwartet. So lernt man einiges über die Haplotyp-Genanalyse. Diese Methode wird sehr selten angewandt und ist auch nur möglich, da sich die DNA der Menschheit noch nicht komplett vermischt hat, sondern es auch noch heute im 21.Jahrhundert Randgruppierungen gibt, die eindeutig an bestimmten Merkmalen herausfilterbar ist. Wer ab und an nachts “Medical Detectives” oder ähnliches schaut, wird diese Methode sogar schon gekannt haben (wie ich) und nur die Bezeichnung nicht mehr gewusst haben (wie ich). Außerdem erfährt man was “Undoing”  für eine Bedeutung hat. Welche das allerdings ist, verate ich an dieser Stelle nicht. Man kann also definitv etwas lernen.

Kombiniert man nun frisches neues Wissen und Klischees aus dem Crime-Genre miteinander, müsste doch eigentlich eine annehmbare Kombination dabei herauskommen? Auf den ersten Seiten hat man auch noch diese Hoffnung und möchte über bekannte Muster hinwegblicken. Nur leider will keine richtige Spannung aufkommen. Das Buch liest sich eher wie ein interessantes Informationsbuch, mit brutalen harten Fakten. Aber ich konnte weder Abel, noch Moewig, noch dessen Frau oder Tochter oder gar den Täter in mein Herz schließen oder wollte gar an seinen Lippen kleben bleiben.
Man hat zwar die ganze Zeit im Hinterkopf, dass das alles auf einer wahren Begebenheit beruht. Entsprechend ist man ständig schockiert von der Grausamkeit und zugleich Schlauheit des Mörders, auch wenn sie mit Fiktion gespickt ist. Für zarte Gemüter ist dieses Werk definitiv nichts. Aber trotzdem reicht das nicht aus, um eine ordentliche Spannungslektüre zu erschaffen.

Alles in allem war ich enttäuscht von dem True-Crime-Thriller. Wahre Begebenheit hin oder her. Ich brauche Spannung und die hatte ich einfach nicht gehabt. Ein Informationsbuch a la Mark Benecke würde ich von Tsokos direkt holen, denn schreiben kann der Mann, nur eben keine Thriller.

sketch-zerschunden

Das Buch ist eine Zusammenarbeit mit dem Autor Andreas Gößling.


Genre: True-Crime-Thriller / VÖ: Oktober 2015 / Verlag: Droemer Knaur / Serie: Serienauftakt / Region: überwiegend Berlin

 

12 Kommentare

  1. WortGestalt
    22. Oktober 2015
    Antworten

    Ja das stimmt, für schwache Nerven ist das nix. Ich würde ja gerne wissen, wie die Zusammenarbeit der beiden Autoren ausgesehen hat, also wie soetwas abläuft. In meinen Augen hat man immer sehr deutlich gemerkt, wann der Fachmann aus der Medizin das Zepter in der Hand hielt (spannend und auch irgendwie entrückend) und wann der Dramaturg in Form des Schriftsteller Regie geführt hat (melodramatisch bis zum Abwinken, puh…). Wobei das Ende ja schon gut gemacht war, im Nachwort gab es ja schon Andeutungen, wie Abels Geschichte weitererzählt wird, das könnte mich reizen, aber ich weiß nicht, ob ich mir einen nächsten Band wirklich geben will…

    • TheReal Kaisu
      22. Oktober 2015
      Antworten

      Ja, man hat gemerkt, wer wann zu sprechen kam. Das Ende ist absoulut okay, aber was nützt mir das, wenn ich das Buch nicht als Spannungslektüre empfinde? Also ich habe derzeit kein Interesse zu wissen, wie es weiter geht :/

  2. Kitty
    22. Oktober 2015
    Antworten

    Ach schade, dass dich das Buch nicht so packen konnte. :/ Ich war ja total begeistert und empfand auch das ganze Buch über eine ständig steigende Spannung. Insbesondere, weil die Uhr getickt hat und ich unbedingt wissen wollte, ob er seinen Freund "retten" und zu seiner Tochter führen konnte, oder eben nicht. Gerade das Schicksal der Tochter, hat mich total erreicht. Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich sogar ein paar Tränen verdrückt habe. :(
    Aber zum Glück haben wir alle einen anderen Geschmack. ;)
    @Philly: Das Ende fand ich persönlich richtig, richtig gemein! Deshalb werde ich auch garantiert den nächsten Band lesen. Allerdings war ich auch insgesamt begeistert von diesem Thriller. Würde es mir so gehen, wie euch, dann würde ich bestimmt ebenfalls Abstand nehmen und die Reihe nicht weiter verfolgen.

    • WortGestalt
      22. Oktober 2015
      Antworten

      Mir war es an den dramatischen Punkten wohl einfach schon zu kitschig. ;) Oh ich alter Kühlschrank! :D

      Das Ende war schön fies! :D

    • Kitty
      22. Oktober 2015
      Antworten

      Und ich bin das Sensibelchen. ;) Vielleicht sollten wir uns zusammen tun? Dann haben wir eine "normale" Mitte. xD ;)

    • TheReal Kaisu
      23. Oktober 2015
      Antworten

      Also das mit der Tochter war ja nur für die Tränendrüsen drin, erst recht ein Grund, warum ich hier überhaupt nix empfand. Ist wie bei einem RTL-Film, ein bissl Drama rein, damit es noch herzzerreißender wird und man MItleid empfindet. Hatte ich übrigens nicht im geringsten mit Moewig *hüst*

      Glaub die "normale" Mitte werden wir nicht so schnell finden, dafür sind unsre Geschmäcker zu unterschiedlich ;)

    • WortGestalt
      23. Oktober 2015
      Antworten

      Da schließe ich mich Christin an, der Kriminalfall selbst hätte auch ohne Kind, Krankenhaus und verrrückter Mutter funktioniert, so konstruierte Dramatik berührt mich auch gar nicht. :D

    • TheReal Kaisu
      23. Oktober 2015
      Antworten

      Fällt mir grad ein: Hab gestern "Regengötter" beendet. Könnte mir sehr sehr gut vorstellen, dass das auch was für dich wäre! Kritik folgt noch :)

    • WortGestalt
      23. Oktober 2015
      Antworten

      Ich hatte im Frühjahr schon etwas von Burke gelesen ("Sturm über New Orleans"), das hat mich nicht sooo umgehauen.

    • TheReal Kaisu
      23. Oktober 2015
      Antworten

      Amerikaner halt, mochte den rauen Western-Stil, aber glaub auch, dass man da wirklich Lust drauf haben muss, sonst is es nix :P

    • WortGestalt
      23. Oktober 2015
      Antworten

      Bei mir lag es am Thema, denke ich. Ich habe vor ein paar Jahren "Die Stadt der Toten" von Sara Gran gelesen, ein wirklich fabelhaft großartiges Buch, das auch die Zerstörung New Orleans durch die Hurrikane zum Thema hatte, genau wie Burkes "Sturn über New Orleans". Nur fand ich die Thematik bei Sara Gran so gut umgesetzt und aufgegriffen, dass Burke dagegen nur wie aufgewärmter Eintopf wirkte. Der Stil und die Figuren, das mochte ich, aber er hat das Thema mit so viel persönlicher Wut verarbeitet, du hast in jeder Zeile gespürt, dass er etwas loswerden wollte und ich mag es halt lieber etwas subtiler. Und da Burke unter Krimilesern ja gepriesen wird wie ein Gott, war ich dann doppelt enttäuscht, da ist es wieder, das Ding mit dem Hype und den Erwartungen. Aber "Regengötter" wird mir schon seit einem Jahr von meiner Miss Marple ans Herz gelegt, ich hab es also auf dem Schirm. :D

    • TheReal Kaisu
      24. Oktober 2015
      Antworten

      Sara Gran *sich fette Notiz macht* DEN Namen hatte ich letztens gesucht *grummel*

      Also hier gehts eher um Schuld und Unschuld, Schuldgefühle, Angst und Macht.
      Zwar wird Catrina erwähnt, aber eher in nem anderen Zusammenhang und auch nur am Rande.
      Aber ich will nicht zu viel vorweg nehmen, die Kritik kommt :D

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