|Crime| “Die Klamm”

Wir befinden uns in Klamm. Eine Stadt, die so manch einer gerne besucht und als Urlaubsregion auserkoren hat. Für viele es ist aber auch Heimat. Ein Wohnort. Man kennt sich – oder auch nicht. Interessiert sich für seine Mitmenschen, leidet mit Ihnen und kennt sie von klein auf. So etwas kann jemanden prägen. Dorffeeling ist nicht für jeden etwas. Zugegeben, es hat alles seine Vor- und Nachteile. Wer in so eine Region aufgewachsen ist, wird wissen, was damit gemeint ist.

Den jungen Menschen in dem kleinen Städchen Klamm ergeht es nicht anders. Vor einigen Jahren hat ein grausamer Familienmord das Leben der Bewohner für immer geprägt. Entführt, gequält, ermordet. Jetzt scheint es sich zu wiederholen. Doch das ist eigentlich unmöglich. Es gibt gewisse Dinge, die kann man einfach nicht rückgängig machen. Oder ist damals etwa ein Fehler unterlaufen?

 

“Der Verdächtige war zum Zeitpunkt des Verbrechens noch nicht einmal achtzehn Jahre alt gewesen. […], ein Junge aus der Nachbarschaft. Er hatte hysterisch auf seine Festnahme reagiert.” (S.111)

 

Anja Grabner nimmt sich des Falles an. Dabei ist sie aktuell nicht einmal offiziell im Dienst. Sie macht Pause. Nimmt sich eine Auszeit. Doch ihr ehemaliger Kollege Kasper und Freund tritt an sie heran. Zeigt ihr aktuelle Ermittlungsstände, macht sie auf Details aufmerksam, möchte ihre Meinung hören. Im Inneren von Anja rumort es. Sie will arbeiten. Kann es aber (noch) nicht. Sie fühlt sich nicht stark genug. Ein Kampf, den sie selber kämpfen muss.

Sind wir mal ehrlich: Wenn man eine Leidenschaft hat, sich zurück gezogen hat, um sich über einige Punkte in seinem Leben klar zu werden und dann kommt jemand an, hält uns ein Leckerlie vor die Nase, was SOFORT alle Sinne anspringen lässt, dann sollte man diesem Ruf doch folgen? Oder etwa nicht?

 

“Verlass dich auf mich”, meinte Anja über die Schulter.
“Und keine Ermittlungen in Eigenregie, hörst du?”, rief er ihr nach. “Nicht bevor du wieder im Dienst bist.” (S.81)

 

Es gibt ErmittlerInnen, die schließt man sofort ins Herz. Dann gibt es die, die man erst einmal skeptisch beäugt und nicht weiß, ob man sie lieben oder hassen soll. Bei Anja war ich mir zunächst nicht sicher, zu welcher Fraktion sie gehört. Viele Aspekte schrien förmlich nach Klischee und Standardprozedere. Irgendwie war sie dann anders oder besser gesagt “ist”, denn die Reihe wird nach diesem Band sicher nicht aufhören. Ich werde jedenfalls den Auftakt noch nachholen, dieser war komplett an mir vorbeigerauscht.

Weniger gefallen hat mir Kasper. Ihr Vorgesetzter. Er ist wirklich sympathisch von seinem Auftreten. Ich konnte ihn in zahlreichen Punkten absolut verstehen und sein Verhalten nachvollziehen. Trotzdem. Er macht Dinge, die die Handlung vorantreiben. Verständlich, man braucht so etwas im Storyverlauf. Müssen es dennoch so extreme Aspekte sein, die einen innerlich gähnen lassen, da man sie schon zuhauf bei anderen Kriminalromanen hatte?

 

“Nun würde sie erstmals jemanden treffen, der die Ermittlungen damals selbst erlebt hatte.” (S.280)

 

Bäumen wir das Pferd von hinten auf: “Die Klamm” ist kein Thriller. Nervenkitzel sucht man vergeblich. Klar gibt es die klassischen Elemente von Cut-Szenenen. Ein Blick in die Gedankenwelt des Entführers, dann der Wechsel zur Ermittlerin. Es steigert die Spannung, sorgt aber nicht für sonderliches Herzrasen oder extreme Cliffhanger. “Die Klamm” ist ein solider Krimi, der einem für ein paar Stunden die Lesezeit versüßt. Es gibt Elemente, die wirklich gut eingeflochten sind und für mich den Wert des Buches gesteigert haben.

Zeitgleich haut der Autor Charaktere und Stimmungsschwankungen ein, die für mich nicht immer nachvollziehbar und paralell zu vorhersehbar waren. Das hat den Lesegeschmack geringfügig geschmälert. Alles in allem habe ich diesen Krimi flott gelesen und bin Anja verdammt gerne bei ihrer Ermittlungsarbeit gefolgt. Von daher möchte ich einen Lesetipp für die Reihe aussprechen. Selbst, wenn ich den Auftakt erst nachholen werde. Das Lesefeeling war einfach zu gut dafür.

die klamm

 

Genre: Crime / VÖ: Februar ’20 / Verlag: Heyne* / Serie: Band 2

weitere Meinung von Kerstin* “Alles zusammen eine gelungene, spannende Geschichte, meiner Ansicht nach aber kein Thriller. Dafür fehlte es mir eindeutig an Spannung und präziseren psychologischen Elementen.”

erhältlich bei: hugendubel.de*

4 Kommentare

  1. Hallo!
    Ich habe band 1 gelesen, bin Österreicherin wie der Autor und komme auch aus einem Dorf. Die Stimmung dort wird gut beschrieben, aber der Fall war mir zu wenig spannend. Wie du schreibst war auch Band 1 eher ein Krimi und kein Thriller und ich hatte ehrlich gesagt kein große Lust Band 2 noch zu lesen….schade!
    Liebe Grüße
    Martina

    • kaisu
      25. Mai 2020
      Antworten

      Also ich gehe auch an den ersten Band, wie an einen Krimi dran: seichte Unterhaltung ohne große Anstrengungen. Dafür scheint die Reihe perfekt.
      Ist halt nur doof, wenn es vom Verlag anders beworben wird.

  2. 24. Mai 2020
    Antworten

    Oh, direkt mal Teil 1 notieren (Frau fängt ja gerne vorne an).
    DIe Reihe muss an mir auch komplett vorbeigerutscht sein, dabei muss ich aber auch anmerken, dass mir das Cover von Teil 2 viel besser gefällt. Es bleibt auch länger im Gedächtnis, bin um das Buch nämlich schon mal herum getanzt :D

    Liebe Grüße
    Chrissi

    • kaisu
      25. Mai 2020
      Antworten

      Ja @ cover!
      Bin voller Erwarungen im Shop stöbern gegangen und seh dann das Cover von Band 1 … bissl enttäuschend.
      Vielleicht ist deshalb die Reihe anfangs an mir vorbei?

      Viel Spaß mit dem Krimi :D

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